Die Dilettanten
verabschieden, unter anderem vom Glauben, weitere Steuererleichterungen für Unternehmen führten automatisch zu mehr Arbeitsplätzen. Während Heiner Geißler applaudierte, waren Peter Müller, Christian Wulff und der unvermeidliche Ronald Pofalla nicht begeistert.
In seiner Streitschrift
Die Marktwirtschaft muss sozial bleiben
vom September 2007 setzt er noch einen drauf, gibt den »Troubadour gegen den Neoliberalismus« (Franz Walter) und ernennt sich zum Gralshüter der sozialen Marktwirtschaft und des
Rheinischen Kapitalismus
. Zugleich kritisiert er die Zuwanderungspolitik der großen Koalition und ruft seine Partei dazu auf, den Kampf gegen die Die Linke nicht der SPD zu überlassen.
Rüttgers war nie Mitglied des CDU-Karrieristenbundes
Andenpakt 111
, und anders als die Platzhirsche Koch, Wulff, Müller und Oettinger war er nie so unvorsichtig, die Werte der früheren bundesdeutschen Gesellschaft als überkommene »Soziale Hängematte« zu verspotten und die neoliberale, auf Ellenbogenegoismus basierende
Neue Soziale Marktwirtschaft
auszurufen.
Und Rüttgers hat ein gutes Gespür: Im November 2006 forderter eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere, woraufhin ihm der damalige SPD-Chef Kurt Beck Populismus vorwirft. Im Januar 2008 beschließt der Bundestag tatsächlich: Arbeitslose über 50 Jahre erhalten künftig 24 statt bislang 12 Monate lang Unterstützung – und von Kurt Beck redet kein Mensch mehr.
Sollte Merkel die Wahl und als Folge auch den Parteivorsitz verlieren und sollte der Zeitgeist weiter in Richtung Solidargesellschaft und Sozialstaat ziehen – was beileibe nicht auszuschließen ist –, so wäre Rüttgers einer der ersten Erbanwärter. Immerhin gibt er im Dezember 2008 erneut den Merkel-Gegenspieler, als er entgegen der Kanzlerin ein schnelles und großzügiges Konjunkturprogramm fordert, und Anfang 2009 setzt er im CDU-Vorstand einen
Deutschlandfonds
durch, der auch die bis dato für die Union unvorstellbare Staatsbeteiligung an Industrieunternehmen vorsieht.
Günther Oettinger (CDU), Jurist, baden-württembergischer Ministerpräsident
Alles außer hochdeutsch und sozial
Günther Oettinger, geboren am 15. Oktober 1953 in Stuttgart, ist ein knallharter Neoliberaler und Bedarfsrechtsaußen.
Seit 1982 ist Oettinger Volljurist und arbeitet sofort bei einem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ab 1984 in Papas Wirtschaftsprüfer- und Anwaltskanzlei, deren Mitinhaber er seit 1988 ist.
1975 tritt er der CDU bei, 1977 gründet er einen Ortsverband der Jungen Union in Ditzingen, wo er von 1977 bis 1985 auch CDU-Chef und von 1980 bis 1994 Stadtrat ist und 1982 die Oberbürgermeisterwahl verliert. Von 1983 bis 1989 befehligt er den JU-Landesverband Baden-Württemberg.
Seit 1984 ist das
Andenpakt
-Mitglied Oettinger im Landtag, 1988 fordert er den Rücktritt des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, 1989 will er Motorradfahren aus Sicherheitsgründen verbieten, 1991 wird er Fraktionschef und verliert wegen 1,4 Promille den Führerschein. 1994 entlastet ihn ein Untersuchungsausschuss in der »Pizzeria-Affäre« vom Vorwurf, Dienstgeheimnisse an die Mafia ausgeplaudert zu haben.
Im April 2005 wird er nach einer Mitgliederbefragung gegen Annette Schavan Nachfolger von Erwin Teufel als Ministerpräsident und Landesparteichef. 2006 gewinnt er die Landtagswahl, setzt auch sofort Studiengebühren an den Hochschulen und Berufsakademien ab 2007 durch, plädiert für das überkommene dreigliedrige Schulsystem und den flächendeckenden und »bedarfsgerechten« Ausbau von Ganztagsschulen.
Im Mai 2006 nominiert ihn der
Verein Deutsche Sprache
als »Sprachpanscher des Jahres« für seinen Satz: »Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest.«
Im September 2006 will er mittelalterliche Handschriften und Drucke der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe im Wert von knapp 70 Millionen Euro zugunsten der Adelsgemeinschaft
Haus Baden
verkaufen, was Wissenschaftler und aus aller Welt als »beispiellosen Akt der Barbarei« bewerten.
Im Januar 2007 äußert sich Oettinger ausgerechnet vor einer Studentenverbindung über Fleiß und Wettbewerb: »Wir sind in der unglaublich schönen Lage, nur von Freunden umgeben zu sein. Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr. Früher, bei der Rente oder der Staatsverschuldung, haben Kriege Veränderungen gebracht. Heute, ohne Notsituation, muss man das aus eigener
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