Die Dilettanten
Bundesbürger behandelt werden. Dass diese Strömung innerhalb der PDS nicht im Traum eine »neue DDR« oder gar ein wirklich humanistisch-soziales System anstrebt,erkennt Wowereit sofort. Und so macht er den Juniorpartner zu dem, was die Grünen für Gerhard Schröder waren: Pflegeleichte, rückgratlose Abnicker, die für einen guten Posten auch die letzten ihrer – wenn jemals vorhandenen – Grundsätze »überdenken«. Vor allem aber sind sie für Wowereit Mehrheitsbeschaffer und Volksbeschwichtiger: Sie sammeln die Stimmen eines großen Teils derer ein, die dem bundesdeutschen Kapitalismus sehr kritisch begegnen und von einer »anderen Gesellschaft« träumen. Gleichzeitig erzeugen sie, ähnlich wie weiland die Grünen, den Irrglauben: »Wenn
sogar
die Linken beim Verschleudern von Staatseigentum, Sozialabbau und Umverteilung nach oben mitmachen, dann muss es ja wirklich ein alternativloser Sachzwang sein.«
Und so setzt Rot-Rot – auch das wieder ähnlich wie Schröders Rot-Grün – Dinge durch, die sich ein CDU/FDP-Bündnis nie getraut hätte. Denn Wowereit versteht es meisterhaft, den von seiner Partei durch den Bankenskandal mitverursachten Schaden von 60 Milliarden Euro als Freifahrtschein für einen Generalangriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung zu missbrauchen: So tritt das Land Berlin im Januar 2003 aus der Tarifgemeinschaft der Länder aus, und seit Mitte 2003 gilt im öffentlichen Dienst Berlins ein Sondertarifvertrag mit einer Kürzung der Löhne und Gehälter um acht bis zwölf Prozent bei entsprechend reduzierter Arbeitszeit. Damit sind Berlins Landesbedienstete abgekoppelt von der Einkommensentwicklung in anderen Bundesländern.
Bald jagt ein Husarenstreich den anderen, und jeder einzelne dient nicht zuletzt der Zähmung der vermeintlichen Revoluzzer. Schon im Herbst 2005 zieht Christine Richter von der
Berliner Zeitung
Bilanz: »Die Linkspartei.PDS erschreckt in Berlin keinen mehr. Sie ist ein verlässlicher Koalitionspartner und machte in den letzten drei Jahren all die sozialpolitischenGrausamkeiten mit, die ihr keiner zugetraut hatte. Erinnert sei nur an die Erhöhung der Kita-Gebühren, die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit, die Kürzungen beim Blindengeld oder die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes im öffentlichen Dienst.« 118
Nach Wowereits Wiederwahl, bei der allerdings nicht einmal 18 Prozent der Wahlberechtigten für die SPD stimmen, beschreibt Josef Depenbrock ebenfalls in der
Berliner Zeitung
seine Erfolgsmasche: »Wowereit plaudert mit erstaunlicher Nonchalance über harte Einschnitte. Viele nehmen ihm nicht übel, dass gespart wird, bis es quietscht, so Wowereits volkstümliche Umschreibung. Seine große Kunst ist, dass er den Menschen trotz schlechter Lage ein gutes Gefühl vermittelt, weltoffen, mit Lebensfreude – auch wenn er dazu Plüschbären ins Publikum wirft und so den Bärlinator gibt; ein weiterer Titel in der Chronologie von Wowinator, Partynator, Landesmutter, bestangezogener Businessman und mehr. Wowereit vermittelt mehr Emotion als Inhalt – sein Erfolgsgeheimnis.« 119
Aber Wowereit will ja mehr, und so präsentiert er im Herbst 2007 eine ganz andere Facette: Bei dem wüsten Hickhack um den damaligen Parteichef Kurt Beck inszeniert er sich – das (womöglich gar nicht so) ferne Ziel Bundeskanzler fest im Blick – als weiser Schlichter und Mahner. Er konstatiert eine »stabile Mobbingkultur« in der SPD-Führung und rät: »Die Parteispitze könnte mal ein 14-tägiges Ruderseminar gebrauchen«. 120
Wenn irgendwann die Beteiligung der Partei Die Linke an einer Bundesregierung zum Thema wird, dann dürfte an Klaus Wowereit niemand vorbeikommen.
Peter Müller (CDU), Jurist, saarländischer Ministerpräsident
Der Saar-Champion als Oskars Herausforderer
Peter Müller, geboren am 25. September 1955 in Illingen, springt auf alles auf, was nach oben fährt. Der JU und der CDU tritt er 1971 bei, von 1983 bis 1987 ist er JU-Landeschef, ab 1990 in der CDU-Landtagsfraktion und gleich Parlamentarischer Geschäftsführer, ab April 1994 Fraktionschef, ab 1995 Chef der CDU Saar, seit 1998 Mitglied im CDU-Präsidium und seit 1999 Ministerpräsident.
Als Andenpakt-Gastmitglied Müller allerdings im Jahr 2000 zum Parteivize kandidieren will, verbieten die Paktkumpels ihm das. Schließlich saß er schon im Präsidium, und man wollte die Wiederwahl von Christian Wulff nicht gefährden.
2004 wird er im Saarland wiedergewählt,
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