Die Dilettanten
unterstütze die heimische Industrie besonders in allen Fragen, in denen der Bund gefragt ist. Bei der Abwicklung von Exportaufträgen helfe ich gerne.« 107
Nur folgerichtig führt er einen heldenhaften Kampf gegen mehr Transparenz bei den Nebeneinkünften der Abgeordneten. Besonders eine Offenlegung der Steuererklärung von Politikern wie in den USA ist ihm ein Horror. Dies werde die Deutschen so abschrecken, dass nur noch Beamte mit Rückkehrgarantie in ihre Berufe sich in Parlamente wählen ließen.
Als tiefgläubiger Christ fordert er Kruzifixe an allen Schulen.Und so sieht seine Umsetzung der Worte Jesu Christi unseres Herrn aus: »Volker Kauder hält Altersarmut für eine Mär« 108 , wohingegen er sich »große Sorgen um Alkoholexzesse unter Jugendlichen« macht. 109 Die Arbeitslosen sind für ihn Menschen, die »sinnlos herumgammeln« und lieber »eine Gegenleistung erbringen« sollten 110 , und mit Mindestlohn für Zeitarbeiter braucht man ihm gar nicht erst zu kommen.
Aber was er bei den Armen spart, kann der umgekehrte Robin Hood den Reichen zuspielen. So holt er für den leistungslosen Reibach der Millionärsnachkommen bei der Reform der Erbschaftssteuer das Optimale heraus.
Bei alledem macht Kauder natürlich sein eigenes Ding. So unterstützt er im Streit um die Unions-Kanzlerkandidatur vor der Wahl 2002 Edmund Stoiber und schult sofort nach dessen Niederlage zum engen Vertrauten von Angela Merkel um. Und sein derzeitiges Amt als Fraktionschef kommt seinem früheren Berufswunsch Zirkusdirektor schon sehr nahe. Aber wie lange er Merkel vor dem Abgeordnetenrudel schützt oder ob er es eines Tages gegen die Kanzlerin mobil macht, bleibt abzuwarten.
2. Landesfürsten
Wegen der besonderen Bedeutung des Bundesrats kommt eine Regierung im Normalfall an den Landesfürsten kaum vorbei. Da es zudem die Wähler offenbar darauf anlegen, der jeweiligen Opposition im Bundesrat die Mehrheit und damit ein wirksames Blockadeinstrument zu verschaffen, hatten seit Helmut Schmidt sämtliche Kanzler im Bundesrat ein unangenehmes Gegengewicht. Gleichzeitig ist das Ministerpräsidentenamt stets ein Sprungbrett nach ganz oben. Schröder und Kohl wurden Kanzler, Franz Josef Strauß, Johannes Rau, RudolfScharping, Oskar Lafontaine und Edmund Stoiber immerhin Kandidaten. Auch aktuell zeigt sich diese Doppelfunktion: Einerseits winkt der schwarz-rot dominierte Bundesrat keineswegs alle Regierungsvorhaben einfach durch – man denke nur an das BKA-Gesetz –, andererseits wurden die Landesväter Roland Koch, Christian Wulff, Jürgen Rüttgers oder Klaus Wowereit zumindest hinter vorgehaltener Hand schon für höchste Weihen empfohlen.
Jürgen Rüttgers (CDU), Jurist, nordrhein-westfälischer Ministerpräsident
Rechtsaußen der Linken oder Linksaußen der Rechten?
Jürgen Rüttgers, geboren am 26. Juni 1951 in Köln, besetzt die Marktlücke »soziales Gewissen in der CDU-Führung«. So schnell wie er kann der Trend gar nicht sein.
Seit 1970 ist er in der CDU, von 1975 bis 1980 im Rat der Stadt Pulheim, seit 1978 Volljurist, ab 1978 Referent beim Städteund Gemeindebund Nordrhein-Westfalen beschäftigt, ab 1980 Erster Beigeordneter der Stadt Pulheim für Stadtentwicklung, Finanzen und Umweltschutz, von 1980 bis 1986 JU-Chef Rheinland, ab 1981 im CDU-Landesvorstand der CDU Rheinland und NRW, von 1985 bis 1999 Kreischef der CDU Erftkreis, ab 1987 im Bundestag, ab 1989 Parlamentarischer und ab 1991 Erster Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer, ab 1993 Vizechef und seit 1999 Chef der CDU NRW, von 1994 bis 1998 Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, ab 1998 Fraktionsvize, 2000 Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in NRW und seitdem auch Bundesvize, dann Landtagsfraktionschef, und ab 2005 Ministerpräsident.
Unsterblich wird Jürgen Rüttgers im Landtagswahlkampf2000 mit seinem Slogan »Kinder statt Inder«, den unverzüglich die Republikaner übernehmen, und den er 2005 in einem N24-Interview mit Michel Friedman präzisiert, die katholische Kirche und ihr Menschenbild seien anderen Religionen, »wenn Sie wollen auch ›überlegen‹«. Außerdem ist Rüttgers gegen einen EU-Beitritt der Türken und das Klonen von Menschen, immerhin aber für die Kennzeichnung von Genfood. Ebenfalls unvergessen bleibt sein mutiges Eintreten gegen die stärkere Kontrolle der Hedgefonds im Mai 2005.
Im August 2006 allerdings erschreckt er seine Partei mit dem Rat, sich von »neoliberalen Lebenslügen« zu
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