Die Dilettanten
den kleinen Leuten aufs Maul und macht sich deren Forderungen zu eigen.
Oskar Lafontaine (Die Linke), Diplomphysiker, Partei- und Fraktionschef
Ungekrönter König von Deutschland
Oskar Lafontaine, geboren am 16. September 1943 in Saarlouis, ist der Antreiber der Linken. Ab 1966 ist er in der SPD, seit 1969 Diplomphysiker, von 1969 bis 1974 bei der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken (ab 1971 im Vorstand). Von 1977 bis 1996 ist er SPD-Chef Saar, ab 1994 im SPD-Präsidium, 1995 schafft er es auf dem Mannheimer Parteitag, durch eine einzige Rede putschartig Rudolf Scharping den Parteivorsitz abzunehmen, den er bis zum Ausstieg 1999 behält. Ab 1974 ist er Bürgermeister, von 1976 bis 1985 Oberbürgermeister von Saarbrücken, von 1970 bis 1975 und 1985 bis 1998 im Landtagdes Saarlandes, von 1985 bis 1998 Ministerpräsident. 1990 ist er Kanzlerkandidat, von Oktober 1998 bis März 1999 im Bundestag und Finanzminister.
Am 11. März 1999 legt er aus Protest gegen den Kurs von Kanzler Schröder sämtliche Ämter und Mandate nieder, im Mai 2005 verlässt er die SPD und tritt der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit WASG bei, seit November 2005 ist er mit Gregor Gysi Fraktionschef und seit 2007 mit Lothar Bisky Chef der Partei Die Linke.
Seinen für Freund, Feind und Neutrale völlig überraschenden Ausstieg erklärt er später damit, dass »Gerhard Schröder bereits ein Jahr lang einen Wortbruch nach dem anderen begangen«, er selbst »aus falsch verstandener Solidarität zu lange geschwiegen« habe. »Insofern stand ich vor der Wahl, den Kanzler zu stürzen oder zu gehen.« 127 Heute bedauert er nicht nur seinen Ausstieg, sondern vor allem den »Fehler, Gerhard Schröder die Kanzlerkandidatur zu überlassen«. 128
Öffentliche Person bleibt Lafontaine dennoch. So schreibt er ab 2001 gemeinsam mit dem CSU-Widerpart Peter Gauweiler eine
Bild
-Kolumne.
Tatsächlich scheint Lafontaine mehr als einmal seine Überzeugung zu wechseln. Anfang der achtziger Jahre gibt er den linken Nachrüstungs- und Kernkraftgegner, danach fordert er als wirtschaftspolitischer Modernisierer eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich und eine »pragmatischere Haltung« zu Samstags- und Sonntagsarbeit.
Noch im April 2003 schreibt
Zeit
-Autor Werner A. Perger: »Der politischen Linken fehlt ein Kopf. Gesucht wird ein Massenbeweger – einer wie Oskar Lafontaine. Doch der will nur eines: Rache an Schröder.« 129 So bleibt er einstweilen »Oskar, der Schattenmann, die linke Stimme aus dem Off«. 130
Dies ändert sich schlagartig, als Lafontaine im August 2004 ineinem
Spiegel
-Interview nicht nur Schröders Rücktritt fordert (»Wenn er Anstand im Leibe hätte …«), sondern auch eine Unterstützung der gerade gegründeten
Wahlalternative
andeutet: »Diese Gruppierung wird dann von mir unterstützt werden.« 131
Spätestens seit dem Bundestagswahlkampf 2005 ist der »Unternehmer in eigener Sache«
(taz)
Hassfigur und Alptraumproduzent für alle Wirtschaftsliberalen, vor allem aber für die SPD-Führung: Schließlich sieht Lafontaine sich selbst als eine Art Testamentsvollstrecker der SPD Willy Brandts und seine Mission in der Erhaltung und dem Ausbau des Sozialstaats. Nur konsequent bringt er – häufig sogar wortwörtlich – frühere Wahlversprechen und Programme der SPD nunmehr namens der Partei Die Linke gegen seine einstigen Genossen in Stellung. Kein Wunder also, dass »der SPD-Genosse denkt, was Lafontaine sagt«, die Wähler und Mitglieder in Scharen die wichtigsten Forderungen der Partei Die Linke – nach Mindestlohn für alle, Bundeswehrabzug aus Afghanistan sowie Rücknahme von Hartz IV und der Rente mit 67 – unterstützen und in Scharen zu ihr überlaufen.
Dass er ein begnadeter Selbstdarsteller ist, streitet er ebenso wenig ab wie seinen Millionärsstatus, den er sogar als Argument nutzt: Es gehe ihm ja gar nicht um seine eigene materielle Lage. Und auch der Vorwurf
Ideologe
ficht ihn nicht an, denn es handelt sich um die durchaus bürgerliche Wirtschaftstheorie eines Ökonomen, der seit der Finanzkrise neben Marx ein furioses Comeback erlebt: »Seinen Keynes trägt Lafontaine mittlerweile mit solchem Nachdruck vor, dass es ihm wohl auch um die Sache geht.« 132
Quer durch alle Parteien fürchtet und bewundert man ihn als »den einzig wirklich erfolgreichen Populisten dieser Repu blik, den Linken, der eine wichtige Wahl zwar grandios verlor, danachaber die SPD als Vorsitzender
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