Die Dilettanten
zurück an die Macht geführt und damit alle Konkurrenten aus seiner Generation bis dahin an politischer Wirksamkeit übertroffen hat«. 133
Selbst einer der noch heute beliebtesten deutschen Regierungschefs, Helmut Schmidt, verlor die Contenance. »Altkanzler Schmidt vergleicht Lafontaine mit Hitler«, jubilierte sogar die
Tagesschau
am 14. September 2008. »Auch Adolf Nazi war ein charismatischer Redner. Oskar Lafontaine ist es auch«, hatte Schmidt stilecht der
Bild am Sonntag
gesagt. Ganz so gemeint war das freilich nicht. Was halbgebildete Redakteure natürlich nicht wissen können: Das Ganze war eine Retourkutsche à la Schmidt-Schnauze. 1982 warf der damalige Saarbrücker Oberbürgermeister seinem Bundeskanzler vor, er rede »weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben«. 134
»Wir müssen eine Partei gegen den Zeitgeist sein«, ruft La-fontaine auf dem Parteitag im Mai 2008 in Cottbus den Delegierten zu, und er meint die deregulierte Wirtschaft samt ihrer Finanzinvestoren. Kein halbes Jahr später ist ihm der Zeitgeist gefolgt, und was von allem Spott und Hohn jetzt noch übrig ist, prallt an Lafontaine ab: Schließlich ist er der große »Gewinner« der Weltfinanzkrise. Denn er hat sie, ebenso wie die deutsche Vereinigung als schwere Geburt, rechtzeitig vorausgesagt – und braucht dies nicht einmal selbst zu erwähnen, weil das inzwischen andere für ihn tun.
Die Partei Die Linke führt er von Anfang an im Stile des berühmten SPD-»Zuchtmeisters« Herbert Wehner, wobei es ihm besonders die Parteirechten angetan haben: Als zum Beispiel auf sein Betreiben Klaus Wowereits bis dato pflegeleichter Juniorpartner auf der Erfüllung des Koalitionsvertrags und damit auf der Enthaltung Berlins bei der Bundesratsabstimmung überden EU-Vertrag besteht, schäumt der Regierende, die Berliner Linke stehe »unter dem Diktat« Lafontaines und sei »allein nicht mehr handlungs- und entscheidungsfähig«. 135
Man darf wirklich gespannt sein, was geschieht, wenn die Linke im Saarland wirklich stärkste Partei wird und Lafontaines eins-tiger Lehrling Heiko Maas auf dem Job als Ministerpräsident beharrt.
Gregor Gysi (Die Linke), Jurist, Fraktionschfe
Lebenstraum Rot-Rot?
Gregor Gysi, geboren am 16. Januar 1948, ist das personifizierte Ankommen der DDR-Bürger in der Bundesrepublik. 1962 tritt er der FDJ bei, macht 1966 vor dem Jurastudium den Facharbeiterabschluss als Rinderzüchter, ist ab 1967 in der SED, ab 1971 als Anwalt zugelassen, seit 1976 Dr. jur. Seit 1978 übernimmt er politische Fälle und wird seitdem – wie von verschiedenen Seiten behauptet, aber nie zweifelsfrei belegt wurde – von der Stasi als inoffizieller Mitarbeiter geführt. Von 1988 bis 1989 ist er Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte Berlin und des Rates der Vorsitzenden der Anwaltskollegien der DDR. Bei der Großdemonstration am 4. November 1989 in Berlin fordert er ein neues Wahlrecht und ein Verfassungsgericht. Von 1989 bis 1993 ist er Chef der SED/PDS (ab 1990 PDS), von 1990 bis 1998 im Bundestag als Chef der Abgeordnetengruppe PDS/Linke Liste. 1995 veröffentlicht er gemeinsam mit Parteichef Lothar Bisky und Ex-Parteichef Hans Modrow ein Papier zur Abgrenzung vom Stalinismus. 1996 bietet er der SPD die Zusammenarbeit an. 1997 scheidet er aus dem Parteivorstand aus. Im September 1998 wird Gysi PDS-Fraktionschef, im Oktober 2000 gibt er dieses Amt ab, im Januar 2001 wird erBerliner Wirtschaftssenator in der Berliner SPD/PDS-Koalition, im Juli tritt er wegen der Bonusmeilenaffäre zurück. Kritiker halten den Grund für vorgeschoben. Als die PDS bei der Wahl 2002 aus dem Bundestag fliegt, arbeitet Gysi zunächst als Rechtsanwalt. Umso triumphaler dafür die Rückkehr in die Politik und den Bundestag. Seit 2005 ist Gysi gemeinsam mit Oskar Lafontaine Fraktionschef der Partei Die Linke.
Seit der deutschen Vereinigung 1990 bis zu ihrem Aufgehen in der Linkspartei.PDS 2005 (seit 2007 Partei Die Linke) wird die PDS fast ausschließlich als »Gysi-Partei« wahrgenommen. Von Anfang an ist er ein Medienstar, ob in Talkshows oder im Bundestag: »Gysi contra Waigel, Kinkel, den Riesen Kohl … Das Publikum lachte, genoss den quicken Witz des Kleinen und interessierte sich keineswegs für den Osten … Gysi konter karierte sämtliche Klischees vom proletarischen Jammerossi.« 136 Das für den Chef einer
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