Die Dilettanten
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger eine »fragwürdige Heuschrecke«, gezielt ins Boot der Telekomaktionäre auf, um auf die Konzernspitze Druck auszuüben, und selbst inmitten der Immobilienkrise nimmt er Ende Oktober 2007 die Heuschrecken ausdrücklich in Schutz, forciert die Bahnprivatisierung und träumt seit 2005 vom Verkauf der Autobahnen, womöglich an Investmentbanken jener Spezies, die sich gerade als raffgierige Betrüger erweisen und den US-Steuerzahler um gut eine Billion Euro erleichtern.
Mehr noch: Damit nicht »Deutschland international den Anschluss verliert« (Steinbrück), beschließt der Bundestag ausgerechnet auf dem Höhepunkt der von Heuschrecken ausgelösten Krise des US-Immobilienmarktes die Einführung von Immobilien-Aktiengesellschaften, den
Reits
(Real Estate Investment Trusts), die weder Gewerbe- noch Körperschaftsteuer zahlen. Immerhin: Weil Mietexplosionen vorprogrammiert sind, dürfen
Reits
»nur« in Wohnungen investieren, die seit 2007 gebaut wurden.
Als Ergebnis dieses Heuschreckenlobbyismus kann sich auch Steinbrücks Bilanz durchaus sehen lassen: Auf Basis
seiner
Finanzpolitik machten allein die Landesbanken acht Milliarden Schulden; und rechnet man nun noch die zehn IKB-Milliarden und die 100 Milliarden hinzu, die den Steuerzahler das Finanzdesaster des Dax-Konzerns Hypo Real Estate kostet, so kommt man alles in allem auf über 120 Milliarden Euro, die Steinbrücks neoliberales Roulettespiel kostet – vom 500-Milliardenpaket zur Rettung der Aktienkurse als Bedingung für die Rettung »unserer« Volkswirtschaft ganz zu schweigen.
Passend zu alledem, plädiert Steinbrück für eine große Koalition über 2009 hinaus und bildet zu diesem Zweck im Sommer 2007 wie schon 2003 mit Roland Koch ein »Duo Infernale« (
Süddeutsche
): Damals mit dem »Koch-Steinbrück-Paket« zur Steuer-reform, jetzt gegen die Rücknahme der Pendlerpauschale.
Steinbrück paktiert also mit einem Mann, dessen Fiasko im Januar 2008 bei der Hessenwahl der
Spiegel
-Autor Claus Christian Malzahn als »brutalstmögliche Quittung für den Populisten« bezeichnet.
Folglich werden immer mehr SPD-Mitglieder das Gefühl nicht los: Wer Steinbrück zum Parteiführer hat, braucht keine Feinde mehr. Selbst für SPD-Vize Andrea Nahles ist er »als Mann des rechten SPD-Flügels keine Integrationsfigur«. 163
Gut möglich, dass seine Tiraden gegen rot-rote Bündnisse für Die Linke unfreiwillige Wahlkampfhilfe bedeuten, ähnlich wie 1994 die Rote-Socken-Kampagne der CDU für die PDS.
Aber auch das ist Steinbrück: Dem
Spiegel
vertraut er an, »dass gewisse Teile der marxistischen Theorie doch nicht so verkehrt sind … Ein maßloser Kapitalismus, wie wir ihn hier erlebt haben mit all seiner Gier, frisst sich am Ende selbst auf.« 164 Nanu? Soll der Bürger auch Peer Steinbrück das Recht auf Einsicht und Besserung einräumen oder sich schlicht auf den Arm genommen fühlen?
Und selbst wenn: Einsicht bedeutet noch lange nicht Kompetenz. Ein Paradebeispiel seines Durchblicks gibt Steinbrück, »der sich jeden Satz aufschreiben lassen muss« (Michael Glos), Ende September 2008: Inmitten der ebenso fieber- wie stümperhaften und steuermilliardenschweren Bemühungen der Regierung um die Rettung der Skandalbank Hypo Real Estate sagte er locker: »Es ist das getan worden, was am ehesten eine geordnete Abwicklung (der Hypo Real Estate) ermöglicht.« 165 Daraufhin senkte die Rating-Agentur Standard & Poor’s die Bonität der Bank. Sollten nun deren Aktionäre Steinbrück die Schuld dafür geben, dass dadurch weitere 15 Milliarden Euro Notkredit fällig wurden, und etwa der Großaktionär
J. C. Flowers
deshalb klagen, könnte auch das den Steuerzahler eine Kleinigkeit kosten.
Einem solchen Experten sollte man nicht einmal die Kaffeekasse anvertrauen, geschweige denn die Staatskasse der Bundesrepublik Deutschland. Damit Steinbrück aber dennoch – ob nun die Weltwirtschaft bebt oder in Pinneberg eine Wurst platzt – auch weiter strammen Marktwirtschaftskurs hält, sitzen im Finanzministerium »externe Mitarbeiter« von mehr als einem Dutzend Unternehmen und sagen ihm, wo es langgeht und wie es ihre Bosse gern hätten.
Um das Bild abzurunden, blamiert Globalisierungsjünger Steinbrück seine Regierung natürlich auch global: Der Mann, der nicht einmal den Unterschied zwischen Abwicklung und Rettung einer Bank kennt, quatscht den Briten im Dezember 2008 in ihr Konjunkturprogramm: Für das »Schuldenmachen« der Briten
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