Die Dilettanten
widerspricht allen erfolgreichen Grundsätzen unserer Wirtschaftspolitik«. 168 Erfolgreich? Selbst Münchhausens Erzählungen wirken dagegen wie trockene Tatsachenberichte.
Da trifft es sich gut, dass Lobbyisten von gut vierzig Unternehmen in seiner Behörde einen Schreibtisch haben, ihm die Wunder der Wirtschaft erklären und notfalls auch die Arbeit des Schreibens von Gesetzesvorlagen abnehmen.
Nach einer Umfrage vom Juli 2008 wussten 72 Prozent der Bürger nicht, wer Wirtschaftsminister ist – was zumindest für eine mangelnde Vernetzung mit den Boulevardmedien spricht. Vorbei jedenfalls scheint die Zeit, als Glos wenigstens mit der Beschimpfung politischer Gegner Schlagzeilen machte, als erden damaligen Außenminister Joschka Fischer einen »Terroristen«, Umweltminister Jürgen Trittin einen »Öko-Stalinisten« und die rot-grüne Regierung eine »Chaos-Combo« nannte. Resümee des
Stern
: »Glos wird nie zu den Topleuten aufschließen, deren Porträts in der Ahnengalerie seines Ministeriums hängen, darunter Ludwig Erhard, Karl Schiller, Franz Josef Strauß, Otto Graf Lambsdorff, Helmut Schmidt …« 169 Bei alledem verwundert es kaum, dass Michael Glos beim Kampf gegen die Wirtschaftskrise weitgehend außen vor bleibt und sich daher »von Merkel schlecht behandelt« fühlt. Mehr noch allerdings von Horst Seehofer. Ihm als CSU-Boss und nicht etwa protokollgerecht der Regierungschefin Merkel bietet er im Februar 2009 die Demission an – für Ralf Fücks von der Heinrich-Böll-Stiftung »ein glatter Verfassungsverstoß … Und es spricht Bände für die Verluderung der politischen Sitten, dass sich darüber kaum jemand öffentlich aufregte.« 170 Nach seinem Abschied klagt er jedenfalls über allseitiges Mobbing. Selbst in der CDU sei der Eindruck vermittelt worden, »er sei zu dumm, um einen Vermerk zu lesen«. 171
Wolfgang Tiefensee (SPD), Elektronikingenieur, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Unbezahlbares Geschenk für alle SPD-Gegner
Wolfgang Tiefensee, geboren am 4. Januar 1955 in Gera, ist ein neoliberaler Alibi-Ossi und permanenter Quell hanebüchener Skandale. Wie die Headhunter der SPD auf der Suche nach ostdeutschem Parteinachwuchs ausgerechnet auf ihn kamen, lässt sein vergleichsweise problemloser Lebenslauf erahnen. Sein Elternhaus war katholisch, der Vater nicht Kommunist, sondern Komponist, er selbst nicht wie die fast gleichaltrige Angela Merkel in der FDJ, sondern Leipziger Bachpreisträger.
Die Jugendweihe verweigerte er ebenso wie den Militärdienst in der Nationalen Volksarmee. Stattdessen leistete er, nach dem Examen als Facharbeiter für Nachrichtentechnik, von 1974 bis 1976 Ersatzdienst als Bausoldat. Danach sammelte er Diplome und Berufserfahrung rund um die Elektronik und die Elektrotechnik.
Mit der Wende 1989 erfasste ihn wie viele andere loyale DDRBürger die politkarrieristische Goldgräberstimmung. Er ging zur Vorläuferin der Ost-Grünen,
Demokratie Jetzt
, die ihn prompt zum Runden Tisch in Leipzig entsandte. Der wiederum schickte ihn als hauptamtlichen Stadtrat in die Stadtverwaltung. Vorübergehend war er parteiloser Stadtverordneter der Fraktion von Bündnis 90. Dann ging es Schlag auf Schlag: 1990 Leiter des Schulverwaltungsamtes Leipzig, 1992 Bildungsstadtrat, 1994 Bürgermeister, 1995 vernünftigerweise SPD-Mitglied, 1998 Oberbürgermeister, im April 2005 wiedergewählt, im November 2005 Mitglied des SPD-Bundesvorstands, Bundesverkehrsminister und Regierungsbeauftragter für die neuen Länder. 2008 ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden gegen ihn wegen »Beihilfe zur Vorteilsnahme«, da er 2002 Aufsichtsratschef der Olympiabewerbungsfirma »Leipzig 2012 GmbH« war, bei der es »Unklarheiten« bei Spenden gegeben hat.
Wie so viele ehrgeizige DDR-Bürger, die auf Befehl ihrer west-deutschen Lehrherren eilfertig »in der Demokratie ankommen« wollten, (miss-)versteht Tiefensee von Anfang an die
soziale
als
freie
Marktwirtschaft und in einer Art Freudschen Marxismus die Bundesrepublik als Arbeitgeberdemokratie: So spricht er unbeschwert von dem Geld für Rentner, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige als »Lohnnebenkosten« und »Investitionsschub« oder greift wie im November 2007 in die verfassungsmäßige Tarifautonomie ein und ruft die Lokführer zum Streikverzicht auf. Im August 2006 schlägt er vor, Hartz-IV-Empfängerals Antiterrorpatrouillen und Hilfssheriffs in Bussen und Bahnen zu missbrauchen. Im Oktober 2006 wird sein
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