Die Dilettanten
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Jegliche nachweisbare Fachqualifikation Großmanns für das Amt bleibt sorgfältig verborgen: »Wohnungspolitischer Sprecher?« Ersetzt etwa die Tätigkeit als »Krankenhaussprecher« ein Medizinstudium? Psychologe Großmann bildet gemeinsam mit Elektronikingenieur Wolfgang Tiefensee als Minister sowie dem Theologen Ulrich Kasparick und der graduierten Sozialarbeiterin Karin Roth als Staatssekretärskollegen ein unschlagbares Inkompetenzteam, wirkt wie ein flammendes Plädoyer gegen irgendeine Fachausbildung und zeugt von der Chuzpe der schwarz-roten Führung: Wozu Fachleute, wenn die Konzerne ihre Gesetze selber schreiben?
Im Januar 2001 fällt Großmann als Lobbyist auf, der der Bauwirtschaft möglichst viel Geld aus der Rentenreform zuschanzen will: »Lange hatte die Immobilienbranche schlicht verschlafen, welch gigantischer Finanzstrom ihr da zu entgehen drohte.
Aber dann wurde die Baulobby aktiv: Heim- und Grunderwerb sollten ins Gesetzeswerk, koste es, was es wolle.« Gemeinsam mit dem damaligen Bauminister Kurt Bodewig habe Staatssekretär Großmann Arbeitsminister Riester gedrängt, Immobilienvermögen in den Förderungskatalog für die private Zusatzversorgung einzubeziehen. 228
Im April 2001 wirft ihm der
Spiegel
»Schönfärberei und Selbstbetrug« bei der Einschätzung der Zusammenarbeit der Ministerien zwischen Bonn und Berlin vor. 229
Im Oktober 2002 brüstet er sich als »der Mann mit den meisten Ernennungsurkunden« zum Staatssekretär. Schließlich hatte er mit Müntefering, Klimmt, zwei Wochen kommissarisch Trittin, Bodewig und Stolpe schon fünf Chefs.
Wenn er überhaupt Erwähnenswertes produziert, dann solches: Im August 2004 berichtet
Frontal 21
über »Planung ohne Sinn – Überflüssige Straßen auf Steuerzahlerkosten«: »So wird das Bundesverkehrsministerium und sein Wegeplan zum Tummelplatz politischer Kungelei. Der Bürger zahlt ja.« Über Großmann heißt es: »In seinem Wahlkreis hat er sich ganze acht solcher Umgehungen genehmigt, fast alle im vordringlichen Bedarf. Der Verkehrswegeplan wimmelt von solchen Beispielen … Drei bis 400 Straßenbauprojekte halten Experten für unsinnig, überflüssig, unwirtschaftlich. Steuergeldverschwendung in Milliardenhöhe.« 230 Ansonsten scheint Lobbyist Großmann – von der Beantwortung unzähliger schriftlicher Volksvertreterfragen an sein Ministerium einmal abgesehen – wenig für die Öffentlichkeit Geeignetes zu produzieren. Andererseits ist er stets vorn mit dabei, wenn es um symbolische Bürgernähe geht. So ist der Bundesverband der Motorradfahrer von Großmanns Auftritt beim Tag der offenen Tür der Ministerien im August 2008 recht angetan: Er ließ es sich nicht nehmen, selbst eine Runde auf dem Honda Riding Trainer zu drehen.” 231
Heinrich Tiemann (SPD), Diplomverwaltungswirt, beamteter Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
Von allem etwas – nichts richtig
Heinrich Tiemann, geboren am 15. Juni 1951 in Schwenningen am Neckar, verdankt seine Politkarriere der IG Metall.
Nach der mittleren Reife lässt er sich von 1968 bis 1973 zum Beamten im gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst ausbilden. Seit 1978 ist er Diplomverwaltungswirt, arbeitet von 1980 bis 1985 in der IG-Metall-Bildungsstätte Lohr am Main, von 1985 bis 1991 in der Abteilung Grundsatzfragen beim IG-Metall-Vorstand. Von 1991 bis 1997 ist er Leiter der Politischen Abteilung beim SPD-Vorstand, außerdem von 1993 bis 1994 Sekretär der Kommission
Regierungsprogramm 1994
, von 1997 bis 1998 ist er Leiter der Planungsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion. Im November 1998 erfolgt nach 25 Jahren die Wiederauferstehung des Beamten Tiemann: Als Ministerialdirektor und Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt ist er zuständig für Soziales, Bildung, Forschung, Umwelt, Verkehr, Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Das klingt nach »nichts Halbes und nichts Ganzes«, und Tiemann selbst spricht ganz unbefangen von einem »heterogenen Themenmix«. Ab November 2002 ist er beamteter Staatssekretär für Gesundheit und Soziale Sicherung, ab 2005 für Arbeit und Soziales und seit 2007 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.
Unter Rot-Grün gilt Tiemann zunächst als Gewerkschaftsvertreter in der Regierung, da er »seine politische Sozialisation bei der IG Metall« erfahren habe. Aber wie meist bei der Personalunion von Gewerkschaftern und SPD-Politikern, wird umgekehrt ein Schuh daraus. Später gibt er auch zu, »der eine oder andere
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