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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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von Kollege kann hier keine Rede mehr sein, zerstört mit seinem Verhalten das Vertrauen, das sich Tausende Funktionäre in mühsamer Kleinarbeit erarbeitet haben. Klaus Brandner hat sich entschieden, gegen unsere IG Metall, für die SPD, für den Neoliberalismus.« 234
    Es dürfte also mehr als fraglich sein, ob Brandner bei der Rückeroberung der »Lufthoheit über den Gewerkschaftsstammtischen« der SPD eine große Hilfe ist. Nützlich dürfte er dagegen für die Ruhrkohle AG gewesen sein, in deren Aufsichtsrat er bis November 2007 saß.
Franz Josef Jung (CDU), Jurist, Bundesminister der Verteidigung
    Der ewige Praktikant
     
    Franz Josef Jung, geboren am 5. März 1949 in Erbach (Rheingau), kam zu seinem Amt wie das Bauernopfer zur Entschädigung. Seit 1976 ist er Rechtsanwalt, seit 1983 Notar in Eltville am Rhein, seit Mai 2003 im Aufsichtsrat der Eintracht Frankfurt AG. Jung engagiert sich zunächst in der Jungen Union, ist von 1973 bis 1983 im Bundesvorstand, 1981 bis 1983 Bundesvize, ab 1998 Vizechef der Landes-CDU und im Bundesvorstand. Von 1972 bis 1987 ist im Kreistag des Rheingau-Taunus-Kreises, ab 1983 im Hessischen Landtag, von 1987 bis 1991 Generalsekretär der Landes-CDU, ab 1987 Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer, ab 1999 Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef von Roland Kochs Staatskanzlei, im September 2000 zurückgetreten als Sündenbock der Schwarzgeldaffäre der Hessen-CDU, ab 2003 Fraktionschef, ab 2005 im Bundestag und Verteidigungsminister. Ähnlich wie der Innenminister, erscheint auch der Verteidigungsminister als Liebhaber staatlicher Gewalt und als »Risikofaktor« (Claudia Roth):
     
Am 2. Juni 2006 hat er die Idee, bei der Fußballweltmeister-schaft freie Plätze mit Soldaten aufzufüllen.
Am 7. Juni erklärt er in Brüssel der staunenden Weltöffent lichkeit, dass er entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz entführte Passierflugzeuge von der Luftwaffe abschießen lassen will.
Am 13. Juni 2006 schlägt er vor, in Berlin ein Ehrenmal für getötete Bundeswehrsoldaten und Zivilbeschäftigte zu errichten.
Im Juli 2006 wird eine Bundeswehr-Richtlinie bekannt, wonach deutsche Soldaten nicht in der Nähe von Schwulenbars übernachten sollen.
Im Juni 2007 setzt er beim G8-Gipfel in Heiligendamm zwei Tornado-Kampfflugzeuge zur »Aufklärung« gegen Globalisierungskritiker ein und verstößt damit gegen das Grundgesetz, das den Einsatz der Bundeswehr im Inneren verbietet.
Im Mai 2007 bekennt Jung nach dem Selbstmordanschlag auf deutsche Soldaten in Afghanistan vom sicheren Berlin aus mutig Farbe und lehnt einen Rückzug ab: »Wir dürfen uns nicht einigeln.«
Ende Juni 2007 bringt er Fachleute und Politiker mit der Story gegen sich auf, unangenehme Geheimberichte über Auslandseinsätze der Bundeswehr von 1999 bis 2003 seien aufgrund einer »Panne« gelöscht worden. Spezialisten hätten selbst beschädigte Datenträger noch retten können, meinen die Kritiker.
     
    Diese wahre Desasterserie macht »Minister Tapsig« (
Berliner Zeitung
) zur tragischen Figur, versteht er doch von Verteidigung ebenso viel wie etwa von den anderen Ressorts oder von fernöstlicher Vasenmalerei.
    Wie auch? Schließlich ist sein Ministeramt lediglich die Belohnung für sein Treiben als treuer Husar seines Andenpaktkumpanen Roland Koch, und den Gutschein dafür erwirbt er sich am 7. September 2000 mit seinem Rücktritt als Staatskanzleichef: Der Koalitionspartner FDP fordert auf Druck ein Bauernopfer als Preis für die Fortsetzung der Koalition, und dieses Opfer ist Jung. Roland Koch räumt später auch freimütig ein: »… wenn Franz Josef Jung nicht zurückgetreten wäre, hätte es den Fortbestand der Koalition nicht gegeben.« 235
    Als er dann Minister wird, ist das Entsetzen groß. Auch die
Süddeutsche Zeitung
findet: »Seine einzige Befähigung hieß Roland Koch … Im Parlament, und nicht nur bei der Opposition, frisst sich nun der Verdacht fest, Jung habe sich das Mandat erschlichen und das Kleingedruckte nachgereicht.« 236 Und prompt hagelt es schon bald Kritik von allen Seiten auf den offenbar überforderten »Minister im Praktikum« (
Süddeutsche
). Die Kanzlerin nimmt ihm übel, dass er den Kampfeinsatz der Bundeswehr im Nahen Osten »Kampfeinsatz« nennt und nicht wie sie im Verblödungsdeutsch »robustes Mandat«.
     
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold mosert, Jung gehe nicht »koalitionsintern abgestimmt vor« und

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