Die Dilettanten
Afghanistan-Einsatzes und das polizeistaatliche BKA-Gesetz stimmt: Karrieristische Seilschaften wollen keinen Ärger mit der Parteispitze. »Wenn’s schön macht«, würde sie auch für Schwimmwestenzwang in Badewannen und für die Umstellung des Kalenders auf das Dezimalsystem stimmen. Schade eigentlich, dass Mitbürger wie Nina Hauer vielen gutwilligen und noch dazu kompetenten Menschen den Platz im Bundestag wegnehmen.
12. Ewige Wiedergänger
Einige Politgrößen reden munter mit und versuchen sich als Ratgeber oder Quertreiber, üben sogar Macht und Einfluss aus, ohne derzeit irgendein Amt oder Mandat zu besitzen. Bei Gerhard Schröder, Wolfgang Clement und Joschka Fischer fällt auf, dass sie selbst zu ihrer aktiven Zeit in ihren Parteien alles andere als beliebt, geschweige denn verankert waren. Vielmehr profitierten sie von der eigennützigen Logik der Funktionäre und sogar der Basis. Mochte die Galionsfigur auch politisch, fachlich und menschlich noch so zweifelhaft sein: Wenn sie der Partei zur Macht verhelfen konnte, dann ließ man schon mal »fünfe gerade sein«.
Gerhard Schröder
Das »Besten«-Comeback
Jedes Volk hat den Regierungschef, den es verdient: Zu seiner aktiven Zeit war Gerhard Schröder ein Beleg für den Mangel an fachlich und sozial kompetenten Führungskräften, für die politische Naivität, Gleichgültigkeit und Leidensfähigkeit der Deutschen. Wird er nun ein Zeichen für ihre Vergesslichkeit? Schon 2002 und 2005 mutete es skurril an, wie der Kanzler der Bosse im Brionizwirn der Oberschicht in den Wahlkampf-express stieg und schwuppdiwupp im Blaumann der kleinen Leute wieder heraustrat – 2002 sogar mit der Fluthelferschaufel in der Hand.
Dass der Mann, der die heute allenthalben als unsozial kritisierte Agenda 2010 ebenso mit zu verantworten hat wie die weitere Öffnung der Arm-Reich-Schere, die Monopolbildung im Energiesektor, die unheilvolle Privatisierung des Gesundheitswesens, das Pisa-Desaster oder die Freibriefe für windige Spekulanten, und der heute russische Energieinteressen vertritt – dass ein solcher Mann sich überhaupt noch an die deutsche Öffentlichkeit traut, ist schon mutig genug, noch dazu, wo er nach Meinung nicht weniger bereits zu seiner Zeit als Regierungschef Lobbypolitik für seinen späteren Arbeitgeber betrieben hat.
Dass ebendieser Gazprom-Aufsichtsrat Schröder aber für seine Partei auch diesmal den Stimmenfänger von Hannover (bei Hameln!) geben will und sogar von seiner Parteiführung darum angebettelt wird, das ist schon die Entwicklung der Unverfrorenheit vom Ärgernis zur Wissenschaft. Was hätten die US-Medien wohl gesagt, wäre Josef Ackermann 2008 auf Long Island für John McCain in die Bütt gestiegen?
»Es schrödert wieder im Wahlkampf«, bemerkt die
SüddeutscheZeitung
, die
Zeit
sieht in ihm den »Kanzlermacher« und die
Welt
sogar den »Schattenmann der SPD«.
Dass ausgerechnet Gerhard »
Bild
-
BamS
-Glotze« Schröder seinen damaligen Rattenschwanz an »Künstlern und Intellektuellen« – gemeint sind vermutlich Lichtgestalten wie Marius Müller-Westernhagen und Günter Grass – für das Duo Steinmeier/Müntefering reaktivieren soll, mag ja noch als Sarkasmus à la »Neues aus der Anstalt« anmuten. Ansonsten aber entspricht der Einsatz des ewigen Zugpferdes durchaus der Strategie, die Idee der Volkspartei samt den sozial Schwächeren im Wortsinne links liegen zu lassen und sich mit der Union um die vielbeschworene
Politische Mitte
zu streiten. Und logisch ist es obendrein: »Politisch ist Steinmeier ohne Schröder nicht denkbar«, wie
Welt
-Autor Günter Lachmann kurz und treffend feststellt. 262
Entsprechend euphorisch reagieren die üblichen Verdächtigen: Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises, würde sich »freuen, wenn Gerhard Schröder wieder aktiv in die Politik eingreifen würde. Das wäre ein Gewinn für Deutschland.« Und auch der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel würde es »sehr begrüßen, wenn Gerhard Schröder öffentlich für Frank-Walter Steinmeier eintritt. Das wäre für ihn und die Partei insgesamt eine große Hilfe.« 263
Dass es sich bei Schröders derzeitiger Medienoffensive um ein echtes Comeback handelt, dürfte äußerst zweifelhaft sein und ohnehin mit der oft pathetisch beschworenen »Sorge um das Gemeinwohl« wie schon immer bei Schröder nicht das mindeste zu tun haben. Alles spricht für einen »Popularitätstest«. So wie ein alternder Star durch das Flanieren über den
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