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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Lehrerinnen das Kopftuch als »Botschaft, die nicht vereinbar ist mit unserem Grundgesetz, denn es ist ein Symbol für die Unterdrückung der Frau«. Ganz im Gegensatz zur Nonnenkluft natürlich, die Schavan weiterhin zulassen will: Womöglich hält sie auch das Priesterinnenverbot und den Zölibat der Amtskirche für einen Bestandteil der Bergpredigt. Mit diesem fundamentalistischen Unsinn räumt allerdings das Stuttgarter Verwaltungsgericht am 7. Juli 2006 auf und erlaubt einer deutschen Muslimin das Kopftuch, solange Ordensschwestern in der Schule auch Nonnentracht tragen dürften. Als die gottgefällige Schavan weiterstänkert und das Kopftuch als »Zeichen für eine kulturelle Abgrenzung und politischen Islamismus« bezeichnet, empfiehlt ihr der Grüne Volker Beck »etwas Nachhilfeunterricht in deutschem Verfassungsrecht«.
    Aber ihre strenge Religiosität – lies: Liebedienerei vor der Amtskirche – hat dort seine Grenzen, wo die profanen Sachzwänge der Globalisierung – lies: Interessen der Industrie – anfangen. Als sie in diesem Sinne die Lockerung des Stammzellengesetzes im Frühjahr 2008 durch den Bundestag bringt, werfen ihr einige Bischöfe prompt »Barbarei« vor. Allerdings: So dumpf, bigott und verlogen kann ein Nein zur Genmanipulation gar nicht sein, als dass es nicht einem Freibrief zur Züchtung genügsamer, pflegeleichter Untertanen vorzuziehen wäre.
    Aber eigentlich ist Schavan ja auch Bildungsministerin – man vergisst es leicht, weil sich zu diesem Thema Hinz und Kunz, Krethi und Plethi, Illner und Plasberg melden, nur die verantwortliche Ministerin kaum.
    Nun ist ja das Thema Bildung auch kreuzgefährlich, wie die Studentenbewegung zeigte, die ja insgesamt extrem intellektuell und vor allem politisch war. Nie wieder eine übergebildete, überkritische Jugend, schwor sich wohl Helmut Kohl, als er gleich zur Machübernahme 1982 die »geistig-moralische Wende ausrief«, die erwartungsgemäß – so der Kabarettist Matthias Deutschmann – »das Privatfernsehen und die 0190er-Nummern« brachte. Das gewünschte Ergebnis: Statt einer neuen Klugscheißer- und Lehrerschwemme die Bildungskatastrophe. »Schon mit der Einführung des Privatfernsehens hätte man die Ganztagsschule einführen müssen« meint deshalb Heribert Prantl. »Sie ist weniger ein Zugeständnis an die zeitknappen Doppelverdiener-Eltern der Mittelschicht als eine Art Internat für Kinder aus der Unterschicht und aus sozialen Randgruppen: ein Ort der Schicksalskorrektur.« 257
    Ganz anders Frau Schavan: Nicht etwa eine grundlegende Hebung des echten Bildungsniveaus der Bevölkerung, sondern die »Leistungselite sichert die Zukunft unseres Landes«, wie sie die Pisa-gebeutelte Nation im Juni 2006 wissen lässt. Aber großzügigerweise räumt sie ein: »Ganztagsschulen sind wichtiger geworden.« 258
    Zwar macht sie im Jahre 2005 die Abschaffung des BAföG zum Wahlkampfversprechen, wird dann aber im Hinblick auf das Stimmvieh Studenten von der damaligen Kanzleraspirantin Merkel zurückgepfiffen. Seither hält sie es mit symbolischer Politik pur: So tun als ob und nichts dahinter. Folglich zeigt sich der Dachverband der deutschen Studierendenvertretungen über die geringe Anhebung für 2008 maßlos enttäuscht.
    Einen kleinen Erfolg kann Schavan dennoch verbuchen: Laut einer Studie, die sie aus falscher Bescheidenheit lange geheim hält, verzichten 18 000 Abiturienten des Jahrgangs 2006 wegen der neuen Gebühren völlig freiwillig auf ein Studium.
    Wie man es auch dreht und wendet: Annette Schavan ist der Archetyp einer Politikerin, die sich weniger um eine bestmögliche Arbeit bemüht als darum, ihre ständigen (zumeist bewussten) Stümpereien dem Wähler auch noch als Erfolge zu verkaufen.
Rolf Schwanitz (SPD), Diplomjurist, Diplomingenieurökonom, Parlamentarischer Staatssekretär für Gesundheit
    Der geparkte Einpeitscher
     
    Rolf Schwanitz, geboren am 2. April 1959 in Gera, will es vor allem den Wessis recht machen.
    Seit 1979 ist er Baufacharbeiter, seit 1983 Diplomökonom, seit 1990 Diplomjurist, seit der Wende im November 1989 in der SPD, vom März bis Oktober 1990 in der Volkskammer, rechtspolitischer Fraktionssprecher und Justizstaatssekretär, seit Oktober 1990 im Bundestag, von 1991 bis 1993 Vizechef des SPD-Unterbezirks Vogtland, seit 1992 im Landesvorstand Sachsen, seit 1993 Landesvize, von Oktober 1998 bis 2005 Staatsminister beim Bundeskanzler und bis November 2002 Beauftragter für die neuen Bundesländer und

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