Die Dirne und der Bischof
mit meinem Vater unsere Pfründe verteidigen? Oder soll ich lieber zu den Guten gehören und mich für den Rest meines sündigen Lebens in ein Kloster zurückziehen?«
»So meine ich das nicht«, sagte er unglücklich. »Du warst nur immer so blind den Fehlern deines Vaters gegenüber. Ich möchte nur, dass du ihn so siehst, wie er wirklich ist. Und dass du dich nicht aus falscher Tochterliebe zu einer, sagen wir, dummen Tat verleiten lässt.«
»Gut, ich verspreche, keine dumme Tat zu begehen. Und dann? Was passiert dann? Was schlägst du vor?«
Er hob die Schultern. »Ich weiß es noch nicht. Deine Rückkehr kam so überraschend. Aber ich werde mir etwas ausdenken. Ich verspreche es dir. Dein Vater hat mir einst, als wir nach Prag zogen, dein Leben anvertraut, um es mit dem meinen zu schützen. Ich weiß nicht, ob er mich der Aufgabe jemals enthoben hat. Ich kann mich nicht erinnern.«
Albrecht von Wertheim beugte sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Hab Vertrauen. Es wird alles gut.«
Er wandte sich ab, trat in den Vorhof und bestieg sein Pferd. Dann ritt er den Pfad hinunter, der ihn zum Zeller Tor führen würde.
»Ah, mein liebes Kind. Da bist du ja!«, rief der Bischof aus, als Elisabeth zaghaft um die Ecke in den kleinen Speisesaal lugte.
»Komm herein, und setz dich zu uns. Ich lass frisches Brot und Braten auftragen. Was willst du noch? Früchte in Honig? Eine süße Mandelspeise? Sag es mir. Du kannst alles haben, was dein Herz begehrt!«
Es war bereits Mittag, doch der Bischof schien sich eben erst von seinem Lager erhoben zu haben und war nun dabei, sein verspätetes Frühmahl zu genießen. Ein üppiges Frühmahl, das mit seinen erlesenen Speisen eher an ein abendliches Bankett erinnerte. Mit ihm saßen eine junge Frau, vier Ritter und zwei Kapläne an der Tafel und ließen es sich schmecken.
»Danke, Vater, ich habe bereits vor einigen Stunden mein Morgenmus gegessen«, wehrte Elisabeth ab.
»Mus?« Der Bischof verzog das Gesicht. »Wie kann man so etwas essen? Ich habe hier Heringe und Aal. Oder lieber ein wenig Hirschkeule? Ich habe ihn selbst mit der Armbrust geschossen!«
Elisabeth schüttelte den Kopf, setzte sich jedoch dem Bischof gegenüber auf einen Stuhl. Neben ihm saß eine Frau mit einem freizügigen Dekolleté, das hier am Mittag in einer Bischofsburg ein wenig fehl am Platz wirkte. Ansonsten waren ihre Gewänder jedoch aus teurem Stoff, und auch der Schmuck, den sie an den Armen und im Haar trug, war sicher sehr kostbar. Sie warf Elisabeth einen abschätzenden Blick zu und schlang dann ihre Arme um den Hals des Bischofs. Ihre mit Edelsteinen besetzten Armreife klirrten. Sie küsste ihn auf die Wange und schob ihm dann eine reife Erdbeere in den Mund. Die Frau war noch recht jung, kaum älter als Elisabeth, und sah mit ihrem dunklen Teint und dem langen, schwarzen Haar recht verführerisch aus.
Das war also die Geliebte, die der Bischof im Augenblick aushielt. Oder eine der Mätressen. Elisabeth erinnerte sich, dass ihr Vater in den vergangenen Jahren seine Mätressen immer häufiger gewechselt hatte und dass es nicht selten mehr als eine Frau auf der Burg gab, der er seine Gunst schenkte und die die Nächte in seinem Gemach verbrachte - und das, obwohl er nun bald auf sein siebzigstes Lebensjahr zuging!
War ihre Mutter deshalb zu ihrem Ehemann zurückge kehrt? Weil sie alleine dem Bischof nicht mehr genügte? Elisabeth dachte an ihren entsetzten Gesichtsausdruck, als sie ihre Tochter in der Stadt im Gewand der Dirne erkannt hatte. Doch auch so hatte sie abgehärmt und verbittert ausgesehen.
»Dann nimm doch wenigstens von der Mandelspeise, die du immer so geliebt hast. Bernhard, reicht meiner Tochter bitte die Schale. Ich weiß nicht, wo diese vermaledeiten Diener sich wieder herumtreiben.«
Ritter Bernhard von Seckendorf, der über Eck zwei Stühle weiter saß, tat wie ihm geheißen. Er nickte dem Bischof zu und gab Elisabeth die Schale mit der süßen Speise. Ihre Worte des Dankes blieben Elisabeth fast im Hals stecken. Für einen Moment glaubte sie Hass in seinen Augen lesen zu können. Was hatte das zu bedeuten? Doch dann war der Ausdruck verschwunden, und sie fragte sich, ob sie sich das nicht nur eingebildet hatte. Weshalb sollte der junge Ritter sie hassen? Sie suchte in ihren Erinnerungen, bis ihr Kopf zu schmerzen begann, konnte aber nichts finden. Sie hatte den vagen Verdacht, er könne versucht haben, ihr den Hof zu machen, aber das war Unsinn.
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