Die Dirne und der Bischof
junge Mann. »Doch du musst begreifen, dass es kein für alle gerechtes Paradies hier auf Erden geben kann. Das Geld wurde für den Feldzug nach Böhmen gebraucht. Der König hat Männer gefordert, Waffen, Pferde und Trosswagen. Wäre es gerecht, den Tatz für die Bürger Würzburgs wieder zu erhöhen? Die Zölle auf Wein? Die Märkte zu besteuern? Oder jede Herdstatt? Noch weitere Dörfer und Burgen zu verpfänden und die Zinslast des Stifts noch mehr in die Höhe zu treiben? Was ist recht? Ich sage nicht, dass er ein weitsichtiger und guter Herrscher ist, doch er ist der vom Kapitel gewählte Bischof, und alle müssen sich seinen Entscheidungen beugen.«
Elisabeth sah die beiden Frauen an, die mit ihr auf dem Judenplatz standen. »Ja, auch unser Bischof Johann hat sein Wort gebrochen. Er hat allen Juden im Bistum einen Freibrief ausgestellt, aber nichts getan, als König Sigismund nur ein Jahr später einen Gulden von jedem Juden forderte. Und dann, als er von seinem Zug gegen die Hussiten zurückkehrte, ließ er seine Würzburger Juden gar gefangen nehmen, um ihnen sechzigtausend Gulden abzupressen!« Ihre Stimme war lauter geworden. Nun ließ sie die erhobenen Hände wie erschöpft sinken. Die Gestalt des jungen Edlen stand ihr noch immer deutlich vor Augen. Wer war er? Wo hatte sie ihn getroffen? Hatte er irgendetwas mit diesem Traum von dem steinernen Gang zu tun, der sie immer öfter heimsuchte? Gehörte er zu den Stimmen hinter der Tür, die sie nicht erkennen konnte, so sehr sie sich auch jedes Mal bemühte?
»Woher weißt du das?«, fragte Jeanne verblüfft.
Marthe betrachtete sie mit einer Mischung aus Interesse und Misstrauen. »Ja, ich dachte, du hättest dein Gedächtnis völlig verloren und wüsstest nicht einmal, wer du bist?«
Elisabeth senkte den Kopf und nickte. »Ja, das stimmt. Ich weiß auch nicht, wie mir das nun plötzlich in den Sinn kommen konnte, aber ich bin mir sicher, dass es sich so zugetragen hat.«
Jeanne strahlte sie an und hakte sich bei ihr unter. »Das stimmt! So war es. Es ist sicher ein gutes Zeichen, dass du dich an manches zu erinnern beginnst. Bald weißt du wieder alles!«
»Ja, vielleicht«, antwortete Elisabeth bedrückt. Vielleicht wollte sie sich gar nicht an alles erinnern. Es war ihr, als lauere ein fürchterliches Ungeheuer dort hinter der Grenze der Schatten auf sie, und eine Stimme flüsterte ihr zu: »Eines Tages wirst du dich nach dem Frieden der Unwissenheit zurück sehnen!«
Die drei Frauen gingen weiter zum Brothaus und kauften ein Wastel zu drei Pfennigen und zwei Flecken. Die Semmler boten Wecken aus weißem Weizenmehl feil. Gebacken wurde hier in der inneren Stadt allerdings schon lange nicht mehr. Nur die Bäckerei des Domkapitels war im Besitz einer Ausnahmegenehmigung. Alle anderen Bäckeröfen waren mit Hinweis auf die Feuergefahr in die Hauger Vorstadt oder in die Pfistergasse der Vorstadt Sand verlegt worden.
Wie ihnen aufgetragen, erstanden die Frauen Kohl und Zwiebeln auf dem Gemüsemarkt, holten Elses Stiefel beim Altreußen ab und erstanden auf dem Rückweg in der Häf nergasse zwei tönerne Krüge und ein paar einfache Becher als Ersatz für die, die in den vergangenen Nächten zu Bruch gegangen waren. Jeanne konnte es sich nicht verkneifen, eine ihrer wenigen Münzen für ein Stück Zimtgebäck auszugeben. Sie brach ein Stück ab und gab es Elisabeth.
»Danke, du bist lieb, aber du musst nicht dein schwer verdientes Geld für mich ausgeben«, wehrte sie ab.
Jeanne schüttelte den Kopf, dass ihre Haube verrutschte. »Nein, muss ich nicht. Aber wie kann ich es besser ausgeben als dafür, mit einer Freundin was Süßes zu genießen?«
Elisabeth standen Tränen in den Augen, als sie nach dem Gebäck griff. Jeanne biss ein Stück ab, schloss die Augen und kaute genießerisch. Bevor sie ein zweites Mal abbiss, wanderte ihr Blick zu Marthe, die mit verschränkten Armen und abweisender Miene ein Stück entfernt stehen geblieben war. Jeanne seufzte leise, dann brach sie noch ein Stück von ihrem Zimttaler und hielt es Marthe hin, doch die rührte sich nicht.
»Behalte es«, fauchte sie. »Ich brauch deine angebissenen Almosen nicht. Wenn ich was Süßes essen will, dann habe ich selbst Münzen!« Mit einem Ruck wandte sie sich ab und stapfte in Richtung der Fleischbänke davon. Dort hatte sie bereits Knochen und Speck gekauft, als die anderen beiden sie einholten. Jeanne leckte sich die klebrigen Finger ab.
»Gott muss wirklich einen
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