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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Pfalzgrafen von Neumarkt. Der warf sie vor unseren Augen wütend in den Schmutz. Ich kann euch nicht sagen, warum es für ihn und einpaar andere Fürsten eine Schmach war, oder worüber sich die anderen ereiferten. Ich hatte bei dem Gezänk der wechselnden Parteien schon lange den Überblick verloren. Jedenfalls war das für die meisten von uns das Signal, dass alles verloren war. In der Ferne sahen wir von Mies her Staubfahnen aufsteigen. Das konnte nur die Reiterei des Prokop sein. Wir hatten endgültig genug! Unser Bischof Johann von Brunn hatte sich mit den meisten seiner Ritter schon lange davongemacht. Der Kardinallegat brach in Tränen aus, doch das kümmerte uns nicht mehr. Wir wollten nur noch zusehen, dass wir dieses vermaledeite Böhmen mit heiler Haut hinter uns ließen!«
    »Mit anderen Worten, ihr habt die Beine in die Hand genommen«, sagte der Henker trocken.
    Jörg und Gilg nickten. »Und keine Stunde zu früh, kann ich euch sagen. Schon bald hatten die vordersten Linien der Hussiten diejenigen, die zu lange gezögert hatten, eingeholt. Sie haben ihr Zaudern mit dem Leben bezahlt! Prokops Männer haben sie niedergemetzelt. Das machte uns Beine, kann ich euch versichern. Wie ein Strom wälzten sich die letzten Kontingente des versprengten Kreuzheeres über die Hügel herab, bis der Böhmerwald uns schützend umgab. Für uns war dieser Zug zu Ende, und wir machten uns auf den Heimweg.«
    Elisabeth, die mit gesenktem Kopf wie erstarrt dagesessen und zugehört hatte, hob den Blick und sah die beiden abwechselnd an: »Und was ist dann in Böhmen geschehen? Wenn ich es recht verstanden habe, war die Stadt Tachau in der Hand des Königs.«
    Die Söldner nickten. »Ja, das stimmt. Viele sind in die Stadt geflohen, und dorthin wandte sich nun auch Prokop mit seinen Männern. Er befahl die Belagerung der Stadt. Sie sollten die Mauern untergraben und die Häuser in Brand schießen. Alle Straßen, die in die deutschen Lande führten, waren bereits versperrt. Der kluge Brandenburger hat sich noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht, doch für alle deutschen Reichsleute, die sich hierher geflüchtet hatten, wurde die Stadt zur Falle. Die Hussiten erstürmten die Stadt und ließen nur die Frauen und Kinder am Leben.« Jörg schwieg und trank seinen Becher leer.
    »Verfluchte Hussiten«, sagte sein Kumpan Gilg. »Möge der Ketzer Jan Hus auf ewig in der Hölle schmoren!«
    »Im irdischen Feuer des Scheiterhaufens wurde er ja bereits geschmort«, entgegnete der Henker bissig. »Ich vermute eher, dass er vom Himmel aus fassungslos zusieht, wie die Lage auf Erden immer mehr zum höllischen Inferno gerät.«
    Jörg sprang auf und zog seinen Dolch. »Henker, du bist ein elender Hussit!«
    Meister Thürner blieb ruhig sitzen, den tönernen Becher mit beiden Händen umfasst.
    »Ich bin kein Anhänger dieser radikalen Umstürzler in Böhmen, doch ich bin dafür, Jan Hus Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wenn ich mir das Verhalten unserer Bischöfe, Päpste und Gegenpäpste so ansehe, dann wundert es mich, dass nicht noch mehr die Frage stellen: Können diese Männer wirklich die Nachfolger unseres Herrn Jesu Christ sein? Hat der Herr so etwas gewollt? Nein! Hus hat sich gegen den Missbrauch gewandt, der an allen Ecken und Enden bis zum Himmel stinkt. Gegen faule Pfarrer und Prälaten, die ihren Schäfchen das Fell über die Ohren ziehen und ihnen für jedes Wort der Gnade den letzten Heller auspressen. Wenn jeder, der dagegen seine Stimme des Protests erhebt, ein Ketzer ist, dann bin ich auch einer. Und ich sage, der König und seine weltlichen und kirchlichen Fürsten sollten sich schämen, dass ihre freien Geleitbriefe nicht einmal das Pergament wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Freies Geleit hat König Sigismund ihm zugesichert, als Hus freiwillig zum Konzil nach Konstanz ging, und dann hat er keinen Finger gerührt, als seine Häscher ihn in den Kerker warfen und ein Theaterstück von einem Prozess aufführten! Nein, ich befürworte keinen Aufstand gegen unseren König und unsere althergebrachte Tradition, aber ich würde es begrüßen, wenn sich nicht nur der kleine Mann an die von den Herren erdachten Gesetze halten müsste! - Und wenn die Geistlichkeit ihre Kraft und Zeit dafür einsetzen würde, wofür der Herr sie uns gegeben hat: dem einfachen Menschen im harten Los des irdischen Lebens Trost zu spenden und Gottes Wort zu verkünden!«
    Alle schwiegen und starrten den Henker an. Der stellte seinen

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