Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
Tor zu erobern. So wurden die täglichen Portionen und das Wasser rationiert. Unruhig ging Elisabeth die Wehrgänge der riesigen Burganlage auf und ab. Unter ihr lag die Stadt, die nun in der Hand des radikalen Aufständischen lag. Elisabeth eilte über den alten Graben zum Ostende des Hradschiner Bergsporns, wo sich einst die älteste Burg erhoben hatte. Wo war er ? Würde er kommen und sie holen? Irgendwo dort draußen musste er doch sein - zusammen mit ihrem Vater!
    Elisabeth war verwirrt, als sie am Morgen erwachte.
    Ich habe in die falsche Richtung gespäht, dachte sie: Die Rettung kam von Westen. Dort hat der König sein Heer zusammengezogen und den Kampf aufgenommen, um den Belagerungsring zu durchbrechen. Dann drängte sich ein anderer Gedanke in ihren Sinn. Was waren das für Träume? Sie wirkten so echt und eindringlich. Sie konnte hören, riechen und schmecken. Sie erlitt die Qualen - noch einmal? Konnten das ihre Erinnerungen sein? Wie war das möglich? Wie war sie nach Prag und zwischen die Fronten dieser Heere geraten? Und wer war der junge Ritter, dessen Stimme sie immer und immer wieder vernahm? - Und wer war ihr Vater, nach dem sie von den Mauern der Prager Burg so sehnsüchtig Rettung erfleht hatte? Elisabeth lauschte in den erwachenden Morgen, der ihr keine Antwort brachte.
    Zwei Wochen später war der Kriegszug gegen die Hussiten - zumindest vorläufig - beendet. Die Männer strömten nach Franken zurück und brachten Geschichten über ihre Abenteuer und auch die Namen der Getöteten mit. Die Liste war erfreulicherweise erstaunlich kurz, und bald schon schwirrten Berichte über den unrühmlichen Zug gegen die Hussiten durch die Stadt.
    »Man sagt, sie seien nicht einmal bis Prag gekommen!«, berichtete der Henker, der es sich an diesem Nachmittag an Elses Tisch gemütlich gemacht hatte.
    »Seine Frau hat ihn vermutlich rausgeworfen, um Großreinemachen zu halten. Ich hab gehört, die Verwandtschaft kommt zur Tauffeier«, raunte Jeanne Elisabeth zu und versuchte, nicht zu kichern. Die beiden Frauen rückten auf die Bank gegenüber, um seinen Worten zu lauschen. Auch der einarmige Söldner Stefan Spießhemmer lungerte wieder einmal vor dem Frauenhaus herum und ließ sich nicht zweimal bitten, sich dazuzusetzen.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ein Zug noch unrühmlicher enden könnte als der unsere«, bekannte der Spießhemmer ungewohnt offen. Wenn er getrunken hatte, brüstete er sich lieber der Heldentaten, die damals begangen worden waren.
    »Sie haben die Mauern von Prag nicht einmal von Weitem zu Gesicht bekommen, und dabei soll das Kreuzfahrerheer dieses Mal über einhunderttausend Köpfe gezählt haben!«, bestätigte der Kriegsknecht.
    »Ja, vermutlich war gerade das das große Problem«, wandte der Henker ein. »Ich will nicht behaupten, dass ich etwas von der Führung eines Heeres verstünde, aber ich habe gehört, dass der Brandenburger die Gefahr ebenfalls sah und sich redlich mühte, die Kräfte nicht wieder aufzusplittern und zu vergeuden.«
    Zwei Männer traten ein, begrüßten den einarmigen Söldner überschwänglich und setzten sich zu ihm. Dass der Henker mit am Tisch saß, schien sie nicht zu stören.
    »Ihr sprecht von unserem großartigen Zug nach Böhmen?« Der Mann lachte und stellte sich als Gilg Egerer vor. Er war groß, schlaksig und hatte kurz geschnittenes braunes Haar und einen verwilderten Bart von gleicher Farbe. Ein Schwert hing an seiner Seite. Über dem Wams trug er ein löchriges Kettenhemd, das sicher schon einige Kriegszüge gesehen hatte.
    »Da kommen wir ja gerade zur rechten Zeit, um ein wenig aus erster Hand zu berichten. Was meinst du, Jörg, gegen einen Krug Wein erzählen wir doch gerne, was wir in Böhmen alles erlebt haben, oder nicht?« Der andere war kleiner und dunkler, doch ähnlich gekleidet. Er nickte begeistert und grinste in die Runde.
    Die Frauen der Eselswirtin rückten auf der Bank zusammen oder zogen sich einen Schemel heran und sahen ihre Meisterin bittend an. Die machte ein saures Gesicht. Etwas zu verschenken gehörte zu den Dingen, die sie am meisten verabscheute. Anderseits war natürlich auch sie neugierig darauf, Geschichten aus erster Hand zu hören.
    »Else, du kommst garantiert nicht in den Himmel, denn du würdest selbst den Herrn Jesu von deiner Tür weisen, wenn er um ein Stückchen Brot bäte«, sagte der Henker zwischen Ärger und Belustigung schwankend.
    »Erstens sind das ganz ordinäre Kriegsknechte, und zweitens haben sie

Weitere Kostenlose Bücher