Die Dirne vom Niederrhein
doch ihr Griff war hart wie Granit. Er hatte versagt. Vor seinen Augen würde Doktor Sylar eines seiner Experimente an Elisabeth durchführen und damit nicht nur sie töten, sondern auch sein ungeborenes Kind. Noch ein letztes Mal bäumte er sich auf, vergebens. Plötzlich drang ein allzu bekanntes Geräusch an seine Ohren. Die Tür zur Krankenstube wurde geöffnet und im Augenwinkel bemerkte er eine Gestalt, die sich schnellen Schrittes der Gruppe näherte. Nur mit großer Mühe konnte er seinen Kopf in die Richtung drehen. In diesem Moment flammte Hoffnung in ihm auf.
»Schwester Agathe«, begann der Vikar, als sie sich vor ihm aufbaute. Elisabeth stieß er in die Zelle. »Habe ich Euch nicht die Order gegeben, in Eurer Stube zu beten? Ihr habt mit dieser Angelegenheit nichts zu tun. Also gebiete ich Euch …«
Mitten im Satz verstummte er. Erst Augenblicke später erkannte Maximilian, warum. Durch die Tür trat erst eine Nonne, dann eine weitere, immer mehr Frauen betraten den Raum. In ihren Augen lag eine ruhige Gewissheit, gepaart mit einem Hauch von Abscheu, als sie sich schützend vor die Zellen stellten. Mit Unverständnis blickten sie auf die Leiche des Soldaten. Fast alle bekreuzigten sich, einige bewegten tonlos ihre Lippen zu einem stillen Gebet. Nach wenigen Momenten hatten sich fast fünfzig Nonnen in dem schmalen Gang eingefunden. Die Soldaten traten einen Schritt nach hinten, ihre Rücken waren bereits an die Steinmauer gepresst.
Fragend blickte der Vikar in die Runde, rang sich ein Lächeln ab. »Werte Schwestern, wollt Ihr Euch nicht zur Nachtruhe begeben? Diese Angelegenheit soll Eure Kreise nicht stören«, versuchte er zu besänftigen.
Die Nonnen blickten ihn ruhig an. Der Habit verbarg ihre ineinandergefalteten Hände, und sie rückten noch ein Stück näher zusammen. Der Vikar war mittlerweile eingeschlossen von den Frauen, der Raum wirkte beengt und auf einmal wurden sogar die Huren in den Zellen ruhig. Keine der Nonnen gab Weisen eine Antwort.
»Meine lieben Schwestern«, sagte der Vikar mit aufkommender Wut. »Dies ist wirklich nicht Eure Angelegenheit. Als Euer Vikar gebiete ich Euch, ins Bett zu gehen und diesen Vorgang auf sich beruhen zu lassen.« Sichtlich nervös blickt er sich um. »Ich versichere Euch, dass dieses traurige Ereignis ausschließlich zum Wohle des Klosters geschieht.«
Noch immer keine Antwort der Frauen, die Stille breitete sich immer mehr aus.
Das Gesicht des Vikars war rot angelaufen, eine Ader pochte wild an seiner Schläfe. Wütend suchte er den Blickkontakt mit den Frauen. »Was ist hier los, verdammt?«
Ruhig machte Schwester Agathe, die aus den Nonnen allein durch ihre Größe hervorstach, einen Schritt in die Richtung des Vikars, wobei sie sich zwischen den anderen Nonnen hindurchquetschen musste. Dann zog sie langsam ihre Hände aus dem Gewand. Zum Vorschein kam ein gerolltes Papier, zusammengehalten von einem Siegel.
»Das Zeichen des Erzbistums«, flüsterte der Vikar, als er das Schriftstück an sich nahm.
»Es ist für Euch«, sagte Schwester Agathe. »Gerade mit einem Boten eingetroffen.«
Sofort riss der Vikar das Wachssiegel auf und entrollte die Nachricht. Murmelnd überflog er das Geschriebene, seine Stimme wurde lauter. »›… den uns vorliegenden Umständen werdet Ihr abgesetzt.‹«
»Des Weiteren wird über Eure Exkommunikation entschieden und Ihr werdet des Verrats und der Veruntreuung von Kirchengeldern angeklagt«, ergänzte Schwester Agathe. »Ihr werdet nicht festgesetzt, weil der ehrenwerte Erzbischof Ferdinand von Bayern keine Truppen entsenden kann, da dieses Gebiet sich in Feindeshand befindet. Ihr könnt Euch selber denken, welche Strafe auf Euer Vergehen steht, und dass der Erzbischof sehr darauf bedacht ist, diese zu vollstrecken.«
»Das ist ungeheuerlich«, presste Vikar Weisen aus zusammengekniffenen Zähnen hervor. Seine Augen rasten über das Dokument. »Was bildet Ihr Weibsbilder Euch ein? Ich befehle Euch, sofort in die Schlafsäle zu gehen!«
Niemand leistete seinen Worten Folge. Die Nonnen standen still und musterten den Mann mit Abscheu und Verachtung.
Schließlich war es Schwester Agathe, die das Wort ergriff. »Ich habe mir erlaubt, Eure Habseligkeiten bereits aus der Abtei Sancti Pauli Bekehrung entfernen zu lassen. Ihr habt lange genug des Teufels Werk hier ausgeführt.« Sekundenlang bedachte sie den Vikar mit einem strafenden Blick, dann drehte sie ihren Kopf langsam zu Doktor Sylar. »Auch Eure Zeit
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