Die Dirne vom Niederrhein
sich und starrte mit offenem Mund in die Finsternis.
»Meinen herzlichen Glückwunsch.«
Das konnte nicht sein. Ungläubig schüttelte Maximilian den Kopf.
Vikar Weisen trat langsam über die Schwelle ins Licht, hatte beide Hände ineinandergelegt und lächelte freudestrahlend. Momente später bemerkte Maximilian die Soldaten hinter dem Mann. Angriffslustig hatten sie ihre Säbel gezückt.
»Elisabeth, ich bin froh, der Erste zu sein, welcher der werdenden Mutter gratulieren darf«, sagte der Vikar in seiner typisch charismatischen Art. »Eine Schwangerschaft ist immer etwas Besonderes.«
War es vor wenigen Minuten ganz still im Trakt der Krankenstube, begann es nun zu rumoren. Man hörte Ketten aneinanderschlagen, wilde Laute drangen durch die Knebel. Aus allen Zellen kamen Geräusche.
»Oh, hört«, flüsterte der Vikar, erhob einen Finger und lehnte sich nach vorn. »Anscheinend möchten sich die übrigen Huren den Glückwünschen anschließen.« Der Vikar kam näher und klopfte Maximilian auf die Schulter. »Aber auch der Vater soll in diesen Minuten nicht zu kurz kommen. Komm mit, dieses Ereignis sollte begossen werden. Ich glaube, ein Krug meines besten Weins wurde noch nicht eingepackt.«
Aus Maximilians Augen sprühte Hass. Er zog die Tür von Elisabeths Zelle ins Schloss, drehte den Schlüssel hastig um und stellte sich vor sie. »Wenn Ihr Elisabeth auch nur ein Haar krümmt …«
»Aber, aber, junger Schmied. Solche Worte passen nicht zu einem fröhlichen Anlass wie diesem. Ich verspreche dir, dass deiner Geliebten nichts geschieht, bis wir uns wieder hier einfinden.«
Die drei Soldaten näherten sich bedrohlich und ihre Klingen waren nur mehr wenige Fuß entfernt. Trotzdem. Sollten sie noch einen Schritt in seine Richtung machen, würde er sich auf sie werfen. Auch wenn es seinen sicheren Tod bedeutete. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, waren bereit für den ersten Schlag.
Als hätte der Vikar seine Gedanken gelesen, erhob er eine Hand und die Männer stoppten. »Aber bitte«, entfuhr es ihm entrüstet. »Warum denn diese Gewalt? Wir wollen erst einmal miteinander reden und etwas trinken.«
»Woher wisst Ihr es?«
»Eine gute Frage. Warum habe ich mir die Mühe gemacht, eine der Frauen in eine andere Zelle zu sperren, mich selbst mit den Männern in ein stinkendes Loch gesetzt und dort viel zu lange ausgeharrt? Mal ganz unter uns, du hattest recht. Diese Unterkünfte sind ekelhaft. Aber um dir deine Frage zu beantworten: Du warst es, der mich zu dieser Tortur bewog.«
Maximilian zog die Stirn in Falten, seine Hände entspannten sich. »Ich verstehe nicht.«
»Das ist äußerst schade«, entgegnete der Vikar mit enttäuschter Stimme. »Ich dachte, du hättest in deiner Zeit hier mehr gelernt. Aber gut, überlege selbst. Wie oft hast du mich nach dem Ablauf des heutigen Abends gefragt? Wolltest genau wissen, wann wir aufbrechen? Dass ich dir erzählt habe, ich müsse noch einiges erledigen, war eine List; ich wollte sehen, wie du reagierst. Daraufhin hast du dich verraten.«
»Ich habe nichts gesagt.«
»Nicht mit Worten, junger Schmied. Deine Augen waren es. Du taugst nicht zum Lügner. Bist nicht als unehrlicher Mensch geboren.« Der Vikar fixierte ihn, wie er es vor fünf Tagen getan hatte. Als würde er mitten in seine Seele blicken. »Aufgrund von Doktor Sylars Vermutung konnte ich mir denken, dass zwischen euch beiden mehr ist. Als du angebissen hattest, musste ich nur noch warten. Dass ich allerdings Zeuge einer derart erfreulichen Nachricht werde, habe ich nicht erwartet.«
»Wieso brachtet Ihr mich nicht einfach um, wenn Ihr Euch so sicher wart?«
Der Vikar lachte auf. »Weil ich mit dir noch etwas vorhabe, junger Schmied.«
Maximilian rechnete damit, in den nächsten Sekunden sein Leben zu verlieren. Allerdings würde er nicht kampflos aufgeben. Zumindest der Vikar würde mit ihm in den Tod gehen. Und wenn er ihm mit bloßen Händen den Hals umdrehen müsste. »Und wie geht es jetzt weiter?«
Als wäre er ein begriffsstutziger Schüler, der eine Frage gestellt hatte, deren Antwort längst klar war, zuckte Weisen mit den Schultern. »Wie ich bereits sagte: Wir betrinken das freudige Ereignis.« Dann legte er seinen Arm um die Schulter Maximilians. »Im Zuge dessen werde ich dir ein interessantes Angebot unterbreiten. Elisabeth können wir sicherlich ein paar Augenblicke hier alleine lassen. Während der Schwangerschaft braucht man viel Ruhe, habe ich mir sagen
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