Die Dirne vom Niederrhein
ist abgelaufen. Ihr werdet das Kloster sofort verlassen.«
Hilflos nestelte Doktor Sylar an seinen Werkzeugen, blickte den Vikar an. Seine Stimme war dünn, flehend. »Was sollen wir tun?«
»Wir tun gar nichts!«, schrie der Vikar mit hochrotem Kopf und drehte sich zu den Soldaten um. »Tötet ihn! Und danach jede, die nicht auf der Stelle diesen Raum verlässt.«
Jedes Augenpaar war nun auf die beiden Landsknechte gerichtet, die ihre Säbel an Maximilians Kehle hielten. Unsicher blickten sie in die Gesichter der Nonnen.
Maximilian spürte den Druck der Klinge, aber auch die Unsicherheit der beiden Männer, die ihn nach wie vor festhielten.
»Wollt ihr wirklich euer Seelenheil riskieren?«, fragte Schwester Agathe und ging einen Schritt auf die Männer zu. Ihre Augen waren zu Schlitzen verengt, keine Angst war in ihnen zu lesen, als sie die Landsknechte musterte. »Für euch ist es nicht zu spät, auch wenn ihr Geschöpfe des Krieges seid. Der Herr ist ein liebender, ein verzeihender Gott.« Mit einem Kopfnicken deutete sie in Richtung des Vikars. »Wenn man nicht mit den Mächten des Bösen im Bunde steht.«
Ihre Worte verfehlten die Wirkung nicht. Die Klinge an Maximilians Hals verlor allmählich an Druck, schließlich ließen die Soldaten ihn los.
»Das kann nicht sein«, brüllte der Vikar und stürzte aus der Krankenstube. »Ihr unnützen Bauern! Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen!«
Mehrmals musste Maximilian husten, ehe er Elisabeth an sich ziehen konnte. Vorsichtig strich sie über seinen Hinterkopf und hielt ihm anschließend ihre vom Blut rot gezeichnete Hand vor das Gesicht.
»Du bist verletzt.«
»Gleichgültig«, sagte er und lächelte. »Befreit die Frauen, wir haben nicht mehr viel Zeit bis zum Morgengrauen.«
Als die Zellentüren geöffnet wurden, schnellte der Geräuschpegel nach oben. Bei jeder weiteren Frau, die aus der Dunkelheit geholt wurde, entfuhr Elisabeth ein erlösender Seufzer. Endlich waren alle Dirnen befreit. Ihre Gesichter waren übersät von Dreck, die Kleider zerrissen, aber sie waren wohlauf.
»Wie geht es jetzt weiter?«, wollte Elisabeth wissen.
In diesem Moment drang ein Klirren an ihre Ohren. Hastig verließen sie die Krankenstube. Ein Feuer loderte in den Gängen der Abtei. Anscheinend hatte jemand eine Fackel durch ein Fenster geworfen.
»Löscht die Flammen!«, schrie Schwester Agathe und rannte in Richtung der Gärten.
Maximilian und Elisabeth stürzten aus dem Haupteingang. Die Schwestern hatten die Besitztümer des Vikars fein säuberlich auf einen Karren geladen. Doktor Sylar stand unbeteiligt daneben, nicht imstande, auch nur einen Finger zu rühren. Zwischen Kisten, Truhen und Kleiderstapeln versuchte der Vikar gerade, eine Fackel zu entzünden. Maximilian rannte die wenigen Schritte und schlug ihm das Holz aus der Hand. Er erwartete einen Schlag, doch der Mann setzte sich lediglich auf eine Kiste und blickte ihn aus hasserfüllten Augen an. Erst jetzt schafften es die beiden Landsknechte aus dem Kloster und stellten sich unsicher neben den Vikar.
»Warum?«, fragte er zunächst leise, wurde dann immer lauter. »Warum, junger Schmied? Du hättest alles haben können! Ein langes und glückliches Leben, ich hätte dir alles gegeben! Aber du wählst ein Dasein mit deiner Dirne und dem Bastard, den sie in sich trägt. Ihr werdet in Entbehrung euer Leben fristen, jeder Tag wird ein neuer Kampf ums Überleben sein, in der Ungewissheit, ob man die Nacht durchstehen wird.«
Mittlerweile hatten auch die Nonnen und Huren den Weg nach draußen gefunden. Anscheinend war das Feuer gelöscht.
»Weil so ein Leben immer noch besser ist, als unter Eurer Fuchtel zu stehen«, antwortete Maximilian stolz.
»Denkst du?« Er holte das Dokument mit dem kurfürstlichen Siegel hervor, sein Blick schoss zu Schwester Agathe. »Und mit Euch bin ich noch nicht fertig! Welcher Grundlage entspringt diese Behauptung? Ihr habt nur einen Zeugen, mehr nicht.«
Die Schwester sah sich um, es waren alle Frauen vor den Toren der Abtei versammelt. Einige hielten Fackeln in die Höhe, sodass ihre Gesichter züngelnd im Halbschatten lagen.
»Ihr selbst habt Euch verurteilt. Mit Euren Büchern, werter Herr Weisen. Ich habe diese vor einigen Tagen dem Erzbischof zukommen lassen.«
Der Mann schüttelte den Kopf, Unverständnis und Abscheu sprachen aus jedem seiner Worte. »Das ist nicht möglich, ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen.« Hastig öffnete er mit dem Schlüssel
Weitere Kostenlose Bücher