Die Donovans 2: Die Spur des Kidnappers
streckte die Hand aus. „Gib mir die Zeichnung.“
Ohne den Blick von ihr zu wenden, griff Sebastian in die innere Tasche seiner Jacke, um das zusammengefaltete Blatt herauszuziehen. Dabei berührten seine Finger leicht ihre Brust, verhielten dort einen Herzschlag lang.
Sie wusste, sie atmete viel zu schnell. Sie wusste, dass dieser kurze, unbeabsichtigte Kontakt mehr in ihr ausgelöst hatte, als er sollte. Um sich abzureagieren, riss sie ihm das Blatt aus der Hand und marschierte auf den Laden zu.
Während sie auf dem Weg war, sich diese Geschichte bestätigen zu lassen, schraubte er in aller Ruhe den Tankverschluss zu.
Es dauerte keine fünf Minuten. Als Mel zurückkam, war sie bleich wie ein Laken, nur ihre Augen funkelten übergroß in der Dunkelheit.
Ihre Hand war ruhig, als sie die Zeichnung in die Tasche zurücksteckte.
Sie wollte nicht nachdenken. Noch nicht. Manchmal war es besser zu handeln als zu denken.
„Also gut, fahren wir weiter.“
Im Süden Utahs, nicht weit von der Grenze zu Arizona – und nahe genug an Las Vegas, um ein Monatsgehalt aufs Spiel zu setzen –, tauchten Häuser auf. Die kleine Stadt, wenn man die Ansammlung von Geschäften und Läden denn so nennen wollte, konnte mit einer Tankstelle, einem winzigen Café, das Maistortil as als Spezialität anbot, und einem Motel aufweisen, auf dessen Parkplatz ein Brontosaurus aus Gips stand.
„Du meine Güte“, entfuhr es Mel, kaum dass sie den erbarmungswürdig verwitterten Saurier sah. „Das ist unmöglich.“ Als sie vom Motorrad stieg, zitterten ihre Beine nicht nur wegen der langen Reise.
„Lass uns herausfinden, ob schon jemand wach ist.“ Sebastian nahm ihren Arm und zog sie zum Eingang.
„Du hast es gesehen, nicht wahr?“
„Scheint so, oder?“ Als sie schwankte, fasste er sie stützend mit einem Arm um die Tail e. Seltsam, dass sie plötzlich so verletzlich wirkte. „Wir besorgen dir ein Bett, wenn wir schon hier sind.“
„Nein, mir geht es gut.“ Den Schock würde sie sich für später aufbewahren. Im Moment war es besser, wenn sie sich bewegte. Zusammen gingen sie durch die Halle mit dem großen Deckenventilator und zur Rezeption.
Sebastian schlug auf die Tischklingel. Augenblicke später hörten sie schlurfende Schritte, dann wurde ein verwaschener Vorhang hinter dem Tresen beiseitegeschoben. Ein Mann in weißem T-Shirt und weiten Jeans erschien. Seine Augen waren noch vom Schlaf verquollen, er war unrasiert.
Gähnend wandte er sich Mel und Sebastian zu.
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Ja.“ Sebastian zückte seine Brieftasche. „Wir brauchen ein Zimmer. Nr. 15.“ Er legte ein paar Dollarnoten auf den Tisch.
„Ist gerade frei.“ Der Motelangestellte griff nach dem Schlüssel am Schlüsselbrett. „Achtundzwanzig pro Nacht. Im Café nebenan gibt’s Frühstück, vierundzwanzig Stunden lang. Wenn Sie sich hier eintragen wollen …“
Nachdem er unterschrieben hatte, legte Sebastian eine weitere Zwanzig-Dollar-Note auf den Tisch und Davids Foto obenauf. „Haben Sie diesen Jungen gesehen? Es müsste jetzt etwa drei Monate her sein.“
Der Angestellte sah nur den Geldschein, Davids Bild hätte genauso gut aus Glas sein können. „Ich kann mich nicht an jeden erinnern, der hier durchkommt.“
„Er war bei einer Frau, Anfang dreißig, attraktive Rothaarige. Fuhr einen Chevy.“
„Vielleicht sind sie hier gewesen, aber ich kümmere mich nicht um anderer Leute Angelegenheiten.“
Mel schob Sebastian zur Seite. „Sie sehen mir wie ein recht vernünftiger Mann aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen eine gut aussehende Lady mit einem süßen Baby nicht auffällt. Vielleicht haben Sie ihr einen Tipp gegeben, wo sie Windeln kaufen kann oder frische Milch.“
Der Mann kratzte sich am Kopf. „Wie ich schon sagte, mit den Problemen anderer habe ich nichts zu tun.“
„Vielleicht werden Sie bald selbst Probleme bekommen.“ Mels Stimme war autoritärer geworden, nicht viel, aber genug, um den Mann argwöhnisch aufblicken zu lassen. „Sehen Sie, guter Mann, Agent Donovan hier … ich meine, Mr. Donovan …“ Mels kleiner Trick zeigte Wirkung. Die Augen des Mannes wurden groß. „Als Mr. Donovan Sie nach dem kleinen Jungen fragte, sah es ganz so aus, als würden Sie sich erinnern.“
Der Angestellte leckte sich nervös über die Lippen. „Sind Sie Cops?
Vom FBI oder so was?“
Mel lächelte nur. „‚So was‘ trifft es ziemlich genau.“
„Ich lege Wert darauf, dass das hier ein
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