Die Donovans 2: Die Spur des Kidnappers
froh, dass auch das Bedürfnis zu weinen verging.
Mel betrachtete Tränen nicht unbedingt als Schwäche. Nur als völlig sinnlos. So waren ihre Augen trocken, als Sebastian zurück in den Raum kam.
Ihr fiel auf, wie blass er aussah. Seltsam, dass ihr die Ringe unter seinen Augen nicht schon vorher aufgefallen waren. Aber sie hatte auch nicht besonders darauf geachtet. Jetzt aber musterte sie ihn zum ersten Mal sehr genau, und sie gab dem Bedürfnis nach, zu ihm zu gehen. Vielleicht lag es daran, dass sie nie eine Familie gehabt hatte, weshalb sie sich mit Zuneigungsbekundungen zurückhielt. Sie war auch nie jemand gewesen, dem Körperkontakt leichtfiel, aber jetzt streckte sie die Arme aus und nahm seine Hände in ihre.
„Du siehst aus, als würdest du das Bett nötiger brauchen als ich. Warum legst du dich nicht für eine Stunde hin? Danach überlegen wir uns, was wir als Nächstes tun.“
Er antwortete nicht, drehte nur Mels Hände um und starrte auf ihre Handflächen. Ob sie ahnte, was er dort alles sehen konnte?
„Hinter einer harten Schale verbirgt sich oft ein weicher Kern“, sagte er leise und sah ihr in die Augen. „Du hast einen solchen weichen Kern, Mel.
Das ist sehr anziehend.“
Und dann tat er etwas, das sie sprach- und atemlos machte: Er führte ihre Hände an seine Lippen. Nie zuvor hatte jemand das bei ihr gemacht.
Sie empfand diese Geste, die sie bisher als albern abgetan hatte, als höchst sinnlich und anrührend.
„David ist in Forest Park, einem Vorort südlich von Atlanta.“
Sie drückte wortlos seine Finger. Wenn sie jemals in ihrem Leben an etwas hatte glauben wollen, dann an das hier.
„Komm, leg dich hin.“ Ihre Stimme klang brüsk, ihre Hände ließen keinen Widerstand zu, während sie ihn zum Bett führte. „Ich werde das FBI informieren und den nächstliegenden Flughafen anrufen.“
6. KAPITEL
M el schlief wie ein Stein. Sebastian nippte an seinem Weinglas, wippte mit dem Stuhl und betrachtete sie. Sie lag auf dem Sofa in der Kabine seines Privatflugzeugs ausgestreckt. Sie hatte tatsächlich nichts gegen seinen Vorschlag einzuwenden gehabt, seinen Piloten nach Utah zu beordern, damit er sie nach Osten fliegen konnte. Sie hatte nur zerstreut genickt und etwas in ihr allgegenwärtiges Notizbuch gekritzelt.
Sobald sie mit dem Flugzeug an Höhe gewannen, hatte sie sich auf dem Sofa zusammengerollt und war sofort eingeschlafen, wie ein erschöpftes Kind. Ihm war klar, dass Energie, wie jede andere Kraft, neu aufgetankt werden musste, und deshalb ließ er sie in Ruhe.
Sebastian hatte sich eine lange Dusche gegönnt, frische Kleidung, die er im Flugzeug aufbewahrte, angezogen und einen leichten Lunch zu sich genommen. Außerdem hatte er ein paar Telefonate geführt. Jetzt konnte er nur noch warten.
Es war eine bizarre Reise. Die schlafende Frau und er, die jetzt von der Sonne wegflogen, nachdem sie ihr die ganze Nacht nachgejagt waren.
Wenn das hier vorbei war, würde es gebrochene und geheilte Herzen geben. Das Schicksal verlangte immer einen Tribut.
Und er hatte einen Kontinent durchquert mit einer Frau, die ihn faszinierte, ihn verärgerte und die ein völliges Rätsel für ihn war.
Sie rührte sich im Schlaf, murmelte etwas Unverständliches, schlug dann die Augen auf. Er beobachtete, wie ihr Blick sich klärte. Sie streckte sich, dann setzte sie sich auf.
„Wie lange noch?“ Ihre Stimme klang rau vom Schlaf, aber er konnte sehen, wie die Energie in sie zurückfloss.
„Keine Stunde mehr.“
„Gut.“ Mit den Fingern versuchte sie ihr Haar zu kämmen, dann schnupperte sie. „Rieche ich da etwa Essen?“
Er lächelte. „In der Bordküche. Im Steuerbord gibt es eine Dusche, wenn du dich etwas frisch machen willst.“
„Danke.“
Sie entschied sich, erst zu duschen. Es war harte Arbeit, nicht beeindruckt zu sein, dass ein Mann nur mit den Fingern zu schnippen brauchte und ihm dann ein eigenes Flugzeug zur Verfügung stand.
Ein Flugzeug, ausgestattet mit dickem Teppich, einer anheimelnden Schlafkabine und einer Küche, die ihre zu Hause wie eine winzige Abstellkammer erscheinen ließ. Offensichtlich lief das Geschäft mit dem Ubersinnlichen ziemlich gut.
Ich hätte seinen Hintergrund überprüfen sollen, dachte Mel, als sie, eingewickelt in einen Bademantel, ins Schlafzimmer huschte. Aber sie war so sicher gewesen, dass sie es Rose ausreden könnte, sich an diesen Telepathen zu wenden, dass sie sich gar nicht erst die Mühe gemacht hatte. Und jetzt war
Weitere Kostenlose Bücher