Die Donovans 2: Die Spur des Kidnappers
Team.“
„Nein.“ Sie legte den Kopf schief. „Und du?“
„Nein.“ Er lächelte in seinen Wein. „Wahrscheinlich nicht.“ Dann hob er abrupt den Kopf und schaute sie so durchdringend an, dass sie glaubte, er würde in sie hineinsehen. „Aber Regeln ändern sich oft, Mel. Falsch und Richtig überlappen sich, die Grenze verschwimmt. Wie entscheidest du das?“
„Mit dem Wissen, welche Dinge sich nicht ändern sollten, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen. Man fühlt es einfach.“
„Ja …“ Die Kraft war wieder eingedämmt, und Sebastian nickte. „Man fühlt es.“
„Dazu braucht man keine übersinnlichen Kräfte.“ Sie ahnte, in welche Richtung er sie lenken wollte, aber sie war nicht bereit, ihm so viel Spielraum zu gewähren. „Ich halte nichts von Visionen oder Eingebungen oder wie immer du das nennen willst.“
Er hob sein Glas und prostete ihr zu. „Aber du bist doch hier, oder?“
Sie hielt seinem herausfordernden Blick stand. „Ja, ich bin hier, Donovan. Weil ich nicht riskieren will, auch nur den kleinsten Hinweis auszulassen, ganz gleich wie dünn oder wie bizarr.“
Sebastian lächelte immer noch. „Und?“
„Und weil ich bereit bin, in Betracht zu ziehen, dass du vielleicht wirklich etwas gesehen oder gefühlt haben könntest. Oder dass du einfach nur eine ausgeprägte Intuition hast. Ich selbst vertraue viel auf Intuition.“
„Ich auch, Mel.“ Das Flugzeug setzte auf die Landebahn auf. „Ich auch.“
Es war nie leicht, die Zügel in andere Hände zu übergeben. Es machte Mel nichts aus, mit den zuständigen Behörden oder dem FBI zu kooperieren, aber sie tat das lieber zu ihren eigenen Bedingungen. Nur um Davids willen hielt sie sich während des Gesprächs mit Federal Agent Thomas A. Devereaux zurück.
„Ich habe die Berichte über Sie gelesen, Mr. Donovan. Sie werden nicht nur als vertrauenswürdig bezeichnet, sondern man schreibt Ihnen regelrechte Wundertaten zu.“
Mel kam Sebastian in diesem kleinen, unpersönlichen Zimmer wie ein König auf seinem Thron vor, der Hof hielt. Auf Devereauxs Bemerkung nickte er nur knapp.
„Ich habe bei mehreren Untersuchungen mitgewirkt, ja.“
„Erst kürzlich in Chicago.“ Devereaux blätterte in einer Akte. „Ziemlich schlimm, die Sache. Umso schlimmer, dass wir dem nicht früher ein Ende setzen konnten.“
„Ja.“ Mehr konnte Sebastian nicht sagen. Die schrecklichen Bilder verfolgten ihn noch immer.
„Was Sie betrifft, Miss Sutherland …“ Devereaux schob sich die Bril e höher auf die Nase. „Die kalifornischen Behörden sind der Ansicht, Sie seien recht kompetent.“
„Da kann ich ja endlich ruhig schlafen.“ Mel ignorierte Sebastians warnenden Blick und lehnte sich vor. „Können wir das Geplänkel jetzt lassen, Agent Devereaux? Ich habe Freunde in Kalifornien, die völlig verzweifelt sind. David Merrick ist nur ein paar Meilen von hier entfernt, und …“
„Das wird noch herauszufinden sein.“ Devereaux legte eine Akte beiseite und griff nach einer anderen. „Nach Ihrem Anruf hat man uns alle relevanten Informationen zugefaxt. Einer unserer Agenten hat Ihren Zeugen in dem … ‚Dunes Motel‘ in Utah befragt.“ Die Brille war wieder gerutscht, und wieder schob er sie nach oben. „Der Mann hat David Merrick eindeutig identifiziert. Wir arbeiten daran, die Identität der Frau festzustellen.“
„Warum sitzen wir dann noch hier?“
Devereaux sah über den Rand seiner Brille. „Erwarten Sie von uns, dass wir an jede Tür in Forest Park klopfen und fragen, ob sich vielleicht ein gestohlenes Baby im Haus befindet?“ Er hob abwehrend den Zeigefinger, bevor Mel etwas sagen konnte. „Im Moment erhalten wir Daten über alle Kinder männlichen Geschlechts im Alter von sechs bis neun Monaten. Adoptionen, Geburtsurkunden, Leute, die in den letzten drei Monaten in die Gegend gezogen sind, mit Kindern. Bis morgen früh haben wir die Möglichkeiten auf ein überschaubares Maß eingeschränkt.“
„Morgen früh? Hören Sie, Devereaux, wir haben gerade vierundzwanzig Stunden damit zugebracht herzukommen. Und jetzt sagen Sie uns, wir müssen noch einen Tag warten?“
Devereaux sah Mel direkt in die Augen. „Genau. Lassen Sie mir den Namen Ihres Hotels da, dann werde ich Sie auf dem Laufenden halten.“
Mel sprang aus ihrem Stuhl auf. „Ich kenne David, ich kann ihn identifizieren. Wenn ich mich umsehe …“
„Das ist jetzt ein Fall der Bundespolizei“, fiel Devereaux ihr ins Wort.
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