Die Donovans 3: Das geheime Amulett
auf seiner Veranda, spürte den Wind auf der Haut, hörte das Rauschen des Meeres. „Das ist gut. Wirklich gut. Was tut dir leid, Ana?
Dass du das bist, was du bist? Oder weil du es nicht für nötig befunden hast, dieses kleine Detail zu erwähnen?“
„Ich schäme mich nicht für das, was ich bin.“ Der Stolz half ihr, sich gerade zu halten. „Es tut mir leid, dass ich mir Ausreden habe einfallen lassen, anstatt es dir gleich zu Beginn zu sagen. Und am meisten tut es mir leid, dass du mich nicht mehr so ansehen kannst, wie du mich noch vor einem Tag angesehen hast.“
„Was hattest du denn erwartet? Soll das einfach so an mir abperlen, als sei es unwichtig? Soll ich so weitermachen, als sei nichts geschehen? Mir nichts, dir nichts akzeptieren, dass die Frau, die ich liebe, eine Figur aus den Geschichten ist, die ich mir einfallen lasse?“
„Ich bin genau die Gleiche, die ich auch gestern war und die ich morgen sein werde.“
„Eine Hexe.“
„Ja.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Eine Hexe, geboren mit der Gabe. Weder vergifte ich Äpfel noch locke ich Kinder in mein Pfefferkuchenhaus.“
„Das soll mich wohl beruhigen.“
„Diese Kraft habe nicht einmal ich. Wir alle sind verantwortlich für unser eigenes Schicksal.“ Sie sagte es, obwohl sie wusste, dass er ihr Schicksal in seinen Händen hielt. „Die Wahl liegt allein bei dir.“
Er bemühte sich, die Neuigkeit zu erfassen, irgendwie zu verarbeiten, aber er konnte nicht. „Du brauchtest Zeit, um es mir zu sagen. Nun, bei Gott, ich brauche Zeit, um herauszufinden, was ich jetzt tun soll.“ Er begann auf und ab zu marschieren, blieb dann wie vom Donner gerührt stehen.
„Jessie. Jessie ist bei Morgana.“
Ana spürte, wie ihr Herz noch ein Stückchen mehr brach. „Oh ja, bei meiner Cousine, der Hexe.“ Eine einzelne Träne lief aus ihrem Auge, über ihre Wange. „Was, denkst du wohl, wird Morgana tun? Sie mit einem Fluch belegen und sie in einen Turm einsperren?“
„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Herrgott im Himmel, ich befinde mich mitten in einem Märchen! Was soll ich denn da denken!“
„Was immer du willst“, erwiderte Ana resigniert. „Ich kann nicht ändern, was ich bin, und ich werde es auch nicht. Nicht einmal für dich. Aber ich werde nicht hier stehen bleiben und deinen Blick auf mir ertragen, als wäre ich irgendwie monströs und abscheulich.“
„Das stimmt doch gar ni…“
„Soll ich dir sagen, was du fühlst?“ Eine weitere Träne fiel. „Du fühlst dich betrogen, wütend, verletzt. Und misstrauisch. Dieses Misstrauen lässt dich fragen, was ich bin, was ich tun kann, was ich tun werde.“
„Meine Gefühle gehen nur mich etwas an“, knurrte er. „Ich will nicht, dass du auf diese Art in mich blickst.“
„Ich weiß. Aber wenn ich jetzt einen Schritt vor machen würde, als Frau, würdest du nur einen Schritt zurückweichen. Das werde ich uns beiden ersparen. Gute Nacht, Boone.“
Als sie die Verandastufen hinunterlief und nach und nach in der Dunkelheit verschwand, brachte er es nicht über sich, sie zurückzurufen.
12. KAPITEL
„I ch kann mir vorstellen, dass du ein wenig durcheinander warst.“
Nash lehnte lässig am Geländer von Boones Veranda, genoss das Bier und die kühle Abendbrise. „‚Ein wenig durcheinander‘ reicht da wohl kaum aus“, brauste Boone auf. „Weißt du, vielleicht bin ich einfach zu kleingeistig und engstirnig, aber … herauszufinden, dass die Lady von nebenan eine Hexe ist, hat mich aus den Schuhen gehauen.“
„Vor allem, weil du in diese Lady von nebenan verliebt bist.“
„Stimmt. Ich hätte es nicht geglaubt, wer würde das schon? Aber ich habe gesehen, was sie mit Jessie gemacht hat. Und dann habe ich zurückgeblickt und zwei und zwei zusammengezählt.“ Boone lachte trocken auf. „Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf und denke mir, ich habe das alles nur geträumt.“ Er ging zum Geländer und lauschte auf die Wellen.
„Das kann alles nicht wahr sein, es ist einfach unvorstellbar.“
„Warum denn nicht? Komm schon, Boone, es ist doch unser Geschäft, den Rahmen ein wenig zu dehnen.“
„Das hier sprengt den Rahmen aber in kleinste Fetzen! Was wir tun, Nash, gehört in Bücher, in Filme. Nicht ins wahre Leben.“
„Aber jetzt ist es mein Leben.“
Boone stieß laut die Luft aus den Lungen. „Ja, wahrscheinlich. Aber hast du dich nie … ich meine, machst du dir nie Gedanken deswegen? Das kannst du mir doch
Weitere Kostenlose Bücher