Die Donovans 4: Der verzauberte Fremde
lächelte sie an, dieses schiefe, leicht hilflose Lächeln, das seine Wirkung bei ihr nie verfehlt hatte. „Was, um alles in der Welt, machst du hier nur den lieben langen Tag?“
„Das habe ich dir alles in meinen Briefen berichtet, Alan.“ Sie saß ihm gegenüber, lehnte sich ein wenig vor. Dieses Mal würde sie es ihm so erklären, dass er verstand. „Ich nehme mir eine Auszeit, um nachzudenken, um ein paar Dinge zu klären. Ich mache lange Spaziergänge, lese, höre Musik. Ich zeichne viel. Um genau zu sein …“
„Rowan, für ein paar Tage ist das sicherlich eine wunderbare Entspannung“, unterbrach er sie. Geduld und Nachsicht trieften förmlich aus seiner Stimme, dass Rowan automatisch die Zähne zusammenbiss. „Aber das hier ist doch kein Ort für dich. Man kann in deinen Briefen zwischen den Zeilen leicht erkennen, wie du die Einsamkeit völlig romantisierst, das Leben in einer kleinen Hütte mitten in der Einöde.“ Er versuchte wieder sein Lächeln, doch diesmal zeigte es keine Wirkung.
„Ich bin glücklich hier, Alan.“
Sie sah aber keineswegs glücklich aus, wie ihm auffiel. Vielmehr verärgert und gereizt. Zuversichtlich, dass er ihr helfen konnte, tätschelte er ihre Hand. „Im Moment vielleicht. Aber was ist in ein paar Wochen, wenn dir klar wird, dass das alles hier …“, er machte eine umfassende Handbewegung, „… nur ein Zwischenspiel ist? Dann wird es zu spät sein, um deine Stelle in der Schule wieder anzutreten, dich für die Sommerkurse einzutragen, die du für deine Doktorarbeit belegen musst. In zwei Monaten läuft außerdem dein Mietvertrag aus.“
Rowan hatte die Hände in ihrem Schoß verschränkt, um sich davon abzuhalten, mit der geballten Faust frustriert auf die Sessellehne zu schlagen. „Das ist kein Zwischenspiel, sondern mein Leben.“
„Genau.“ Er strahlte sie an, wie er immer einen besonders begriffsstutzigen Studenten anstrahlte, der endlich einen komplizierten Sachverhalt verstanden hatte. „Und dein Leben ist in San Francisco.
Liebling, du und ich, wir beide wissen, dass du mehr intellektuelle Anregung brauchst, als sich hier finden lässt. Was ist mit deiner Büchergruppe? Die muss dir doch fehlen. Und die Kurse, die du nehmen wolltest? Deine Dissertation hast du bisher mit keinem Wort erwähnt.“
„Weil ich sie nicht schreiben werde, deshalb.“ Es machte sie wütend, dass ihre Finger zu zittern begannen. Sie riss die Hände auseinander und sprang auf. „Nicht ich wollte diese Kurse machen, andere wollten, dass ich das tue. So, wie andere jeden Schritt vorgeplant haben, den ich zu nehmen habe. Ich will weder studieren noch will ich unterrichten. Ich will keine intellektuelle Anregung, die ich nicht selbst für mich ausgesucht habe. Das alles habe ich dir schon einmal gesagt, wie auch meinen Eltern. Aber ihr wollt mir einfach nicht zuhören.“
Alan blinzelte, schockiert über ihren plötzlichen Ausbruch. „Weil uns viel an dir liegt, Rowan. Sehr viel.“ Auch er erhob sich. Seine Stimme klang jetzt beruhigend. Sie verlor nur äußerst selten die Beherrschung, aber wenn sie es tat, dann baute sie in Sekundenschnelle eine Mauer auf, die kein logisches Argument durchdringen konnte. Dann konnte man sie nur in Ruhe lassen.
„Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Deshalb möchte ich, dass du mir zuhörst, damit du verstehen kannst. Oder wenn verstehen zu viel verlangt ist, dass du es wenigstens akzeptierst. Ich tue das, was ich tun muss. Und, Alan …“, sie ließ die Hände fallen und schaute ihn direkt an, „… ich komme nicht mehr zurück.“
Seine Miene wurde hart. Mit kaltem Blick sah er sie an, als hätte sie sich geweigert, eine logische Voraussetzung als richtig zu verstehen. „Ich hatte gehofft, du hättest diese alberne Laune längst ausgelebt und würdest heute Abend mit mir zurückkommen. Ich bin allerdings bereit, mir ein Hotel zu suchen und noch ein paar Tage zu warten.“
„Nein, Alan, du missverstehst. Ich komme nicht mehr nach San Francisco zurück. Nicht heute, nicht in ein paar Tagen. Nie mehr.“
Jetzt hatte sie es also ausgesprochen. Ein riesiges Gewicht schien ihr von den Schultern genommen zu sein. Ihr war so leicht ums Herz, dass selbst sein entsetzter Blick ihr nichts anhaben konnte.
„Das ist doch Unsinn, Rowan. Die Stadt ist dein Zuhause, natürlich kehrst du zurück.“
„Es ist dein Zuhause. Und das meiner Eltern.“ Sie streckte die Hände aus, um seine zu nehmen. Er sollte so glücklich über ihre
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