Die Donovans 4: Der verzauberte Fremde
beschäftigt und in seiner Nähe. Sie liebte die Arbeit – und das half ihm dabei, zu rechtfertigen, dass er so viel Zeit mit ihr verbrachte. Sicher, sie hätte die Skizzen auch genauso gut bei sich zu Hause machen können, aber sie äußerte nie Einwände, wenn er darauf bestand, dass sie zu ihm kommen sollte. Und das fast jeden Tag.
Er wollte sie einfach im Auge behalten. Sie beobachten. Es half ihm dabei, zu entscheiden, was als Nächstes zu tun sei. Und wann es zu tun sei.
Redete er sich ein. Denn schließlich war es nicht so, dass er sich nach ihrer Gesellschaft sehnte. Nein, er arbeitete lieber allein. Ganz sicher brauchte er keine Ablenkung durch ihren Duft, ihre Wärme. Oder durch das leichte Geplauder, anregend und aufheiternd. Und auf die kleinen Mitbringsel hätte er nun wirklich gut verzichten können. Kuchen, Kekse und Gebäck.
Mal waren sie entweder verbrannt oder zusammengefallen, mal gelungen. Auf jeden Fall waren sie immer unglaublich süß.
Es war weiß der Himmel nicht so, als würde er ohne sie nicht bestens zurechtkommen. Das sagte er sich jeden Tag, während er ungeduldig ihrer Ankunft entgegenfieberte.
Wenn er Nacht für Nacht in Wolfsgestalt zu ihr ging, dann nur, weil sie einsam war und auf diese Besuche wartete. Na schön, vielleicht lag er gern neben ihr auf dem großen Bett und ließ sich von ihr vorlesen, bis sie einschlief, die Brille auf der Nase, das Licht immer noch an.
Und wenn er sie dann noch lange betrachtete, in ihrem Schlaf, dann nicht etwa, weil sie so süß und verletzlich aussah, sondern weil sie ein Rätsel darstellte, das gelöst werden musste. Ein Problem, das logisch anzugehen war.
Sein Herz dagegen, so überzeugte er sich immer wieder, war bestens geschützt.
Er wusste, dass der nächste Schritt sich ankündigte. Der Zeitpunkt, an dem er die Entscheidung, was sie einander bedeuteten, in ihre Hände übergeben würde.
Bevor er das tat, würde sie allerdings erfahren müssen, wer er war. Und wer sie war.
Er könnte sie auch als Geliebte nehmen, ohne sich ihr zu offenbaren.
Das hatte er vorher auch nicht getan, bei anderen Frauen. Was ging es sie auch an? Seine Kräfte, sein Vermächtnis, sein Leben gehörten ihm.
Bei Rowan könnte das jedoch anders sein. Sie hatte ihr eigenes Erbe, auch wenn sie nichts davon wusste. Eine Zeit würde kommen, da würde er es ihr sagen müssen, ihr endlich erklären müssen, was da auch in ihrem Blut floss.
Was sie dann damit tun würde, war ihre eigene Entscheidung. Die Wahl, sie davon zu unterrichten, war seine.
Aber er hielt sein Herz im Zaum. Verlangen war akzeptabel, Liebe dagegen ein viel zu großes Risiko.
Am Abend der Sonnenwende, die Luft durchtränkt mit Magie, bereitete er den Kreis vor. Tief in den Wäldern stand er in der Mitte des Steinrings.
Um ihn herum erklang der süße Gesang aus uralten Zeiten, die fröhliche Melodie der Jugend, die verhaltenen Lieder jener, die zuschauten und warteten.
Und der süße Harfenklang der Hoffnung.
Die Kerzen waren schlank und weiß, weiß auch die Blumen, die zwischen ihnen lagen. Er trug den Umhang von der Farbe des Mondlichtes und den Edelsteingürtel, der seinen Rang auswies.
Der Wind verfing sich in seinem offenen Haar, als er das Gesicht der untergehenden Sonne entgegenhob. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume, wie Lanzen aus schimmerndem Gold, lagen ihm wie geschmiedete Schwerter zu Füßen.
„Was ich hier tue, tue ich aus freien Stücken. Doch ich gebe kein Gelöbnis, weder der Frau noch meinem Blut. Keine Pflicht fesselt mich, kein Versprechen wird gegeben. Hört mich an, bevor dieser längste Tag vergeht. Ich werde sie rufen, und sie wird kommen, doch ich werde nichts benutzen, was jenseits des Rufes liegt. Was sie sieht, an was sie sich erinnert und was sie glaubt, liegt allein bei ihr.“
Er sah die silberne Eule durch die Lüfte gleiten, in majestätischer Haltung ließ sie sich auf dem Königsfelsen nieder.
„Vater“, grüßte er förmlich und verbeugte sich. „Deine Wünsche sind mir bekannt. Aber sollte ich mich von ihnen beherrschen lassen, wäre ich dann in der Lage, über andere weise zu herrschen?“
Diese Bemerkung würde irritieren, das wusste er. So drehte Liam sich ab, bevor das Lächeln seine Lippen erreichte. Wieder hob er das Gesicht gen Himmel. „Ich rufe die Erde.“ Er öffnete die Hand, in der er satte schwarze Erde hielt. „Und den Wind.“ Eine Brise kam auf, hob die Erde in einer Spirale in die Luft. „Und das
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