Die Doppelgaengerin
mit der Stimme täuschend echt ein Donnergrollen imitierte.
»›Machte sich über die Schwere meiner Verletzung lustig.‹« Siana amüsierte sich königlich. »›Wurde ausfallend.‹«
»Gar nicht wahr!«
»Eine Liste zu machen ist keine schlechte Idee«, sagte Mom und nahm Siana den Terminkalender wieder ab. »Es ist sehr effizient, und man vergisst nichts mehr.«
»Sie vergisst sowieso nie was«, beteuerte Wyatt grummelnd.
»Vielen Dank auch, dass Sie meine Frau auf die Idee mit der Liste gebracht haben«, sagte Dad zu Wyatt, aber er meinte es nicht ernst. »Das wird mein Leben ungeheuer erleichtern.« Er legte die Hand auf Wyatts Arm und zog ihn herum. »Lassen Sie uns rausgehen, damit die Frauen Blair anziehen können und ich Ihnen ein paar Dinge erklären kann. Sieht so aus, als könnten Sie Hilfe brauchen.«
Wyatt wollte nicht gehen – das konnte ich ihm ansehen –, aber er wollte vor meinem Dad auch nicht pampig werden. Nein, die pampigen Bemerkungen hob er alle für mich auf. Die beiden Männer gingen ab und zogen natürlich nicht den Vorhang zu. Jenni stand auf und übernahm das. Sie drückte die Nase zusammen, um nicht schallend loszulachen, bis beide außer Hörweite waren.
»Am besten gefällt mir das ›pampige Benehmen‹«, sagte Siana und presste die Hand auf den Mund, um ihr Kichern zu unterdrücken.
»Habt ihr sein Gesicht gesehen?«, flüsterte Mom grinsend. »Der arme Mann.«
Der arme Mann, ach ja.
»Er hat’s verdient«, meckerte ich, setzte mich auf und suchte nach dem linken Ärmel des Nachthemds.
»Halt still; ich mache das schon«, befahl Mom.
»Am besten bewegst du deinen Arm überhaupt nicht.« Jenni hatte sich hinter mich gestellt. »Lass Mom das Nachthemd über deinen Arm ziehen.«
Mom tat genau das, wobei sie den Stoff ganz vorsichtig über den überdimensionalen Verband streifte, der aber so dick war, dass ich sowieso nichts gespürt hätte, selbst wenn Dr. MacDuff meinen Arm nicht vor dem Nähen betäubt hätte. Jenni zog das Nachthemd hinten zusammen und verknotete die kleinen Bändchen.
»Du wirst den Arm ein paar Tage lang nicht gebrauchen können«, sagte Mom. »Wir holen ein paar Sachen aus deiner Wohnung und nehmen dich mit nach Hause.«
Das hatte ich mir auch schon überlegt, deshalb nickte ich nur. Ein paar Tage lang von meinen Eltern verhätschelt zu werden war genau das, was der Doktor verschrieben hatte. Na gut, er hatte es nicht verschrieben, aber er hätte es verschreiben sollen.
Bis Cynthia mit einem Stapel zu unterschreibender Formulare, einer Liste von Anweisungen und einem Pfleger mit einem Rollstuhl zurückkehrte, waren auch Dad und Wyatt wieder aufgetaucht. Wyatt war vielleicht nicht besser gelaunt als zuvor, aber immerhin sah er uns nicht mehr ganz so finster an.
»Ich hole das Auto«, sagte Dad, als er den Pfleger mit dem Rollstuhl ankommen sah.
Wyatt hielt ihn am Arm zurück. »Ich hole mein Auto. Sie kommt mit mir.«
»Was?«, sagte ich überrascht.
»Du kommst mit zu mir. Falls du es vergessen haben solltest, Süße, da draußen versucht dich jemand umzubringen. Und dieser Jemand wird zuerst bei deinen Eltern nach dir suchen. Das ist nicht nur für dich gefährlich, damit bringst du auch sie in Gefahr!«
»Was soll das heißen, da versucht jemand, sie umzubringen?«, wollte Mom energisch wissen. »Ich dachte, es sei ein zufälliger …«
»Es mag die geringe Chance bestehen, dass es sich um einen ungezielten Schuss gehandelt hat. Aber Ihre Tochter wurde am letzten Donnerstag Zeugin eines Mordes, und ihr Name stand in der Zeitung. Was würden Sie mit einer Zeugin machen, wenn Sie ein Mörder wären? In meiner Wohnung ist sie sicher.«
»Der Mörder hat dich auch gesehen«, wandte ich sofort ein. Wie du mich geküsst hast. »Wieso bist du so sicher, dass er mir nicht zu dir folgen wird?«
»Woher sollte er wissen, wer ich bin und wo ich wohne? Dass ich Polizist bin, könnte er nur wissen, wenn er nach dem Schuss dageblieben wäre, und glaub mir, da war niemand mehr.«
Verflixt noch mal, das war logisch. Ich wollte niemanden in meiner Familie gefährden – Wyatt eigentlich auch nicht –, weshalb ich auf keinen Fall zu ihnen fahren konnte.
»Sie kann nicht bei Ihnen wohnen«, sagte Mom. »Bis sie ihren Arm wieder einsetzen kann, braucht sie jemanden, der für sie sorgt.«
»Madam«, stellte sich Wyatt tapfer ihrem Blick, »ich werde für sie sorgen.«
Okay, damit hatte er meiner Familie verraten, dass wir miteinander schliefen,
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