Die Doppelgaengerin
hatte, mich in sein Auto zu setzen: um mich zu beschützen. Solange ich auf dem grünen Mittelstreifen gesessen hatte, hätte ich ein erstklassiges Ziel abgegeben, falls jemand – namens Dwayne Bailey – noch einen Schuss auf mich abgeben wollte. Ich hatte nicht die blasseste Idee, warum er das tun sollte oder warum er an meinem Auto herumgepfuscht hatte, nachdem er schon gestanden und folglich keinen Anlass mehr hatte, mich umzubringen – nicht, dass er je dazu Anlass gehabt hätte, aber das hatte er nicht gewusst. Tja, vielleicht hatte er den jetzt, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Polizisten ihm erzählt hatten, wie wenig ich in jener Nacht wirklich gesehen hatte.
Ich ging als Erstes auf die Damentoilette, um mich zu waschen und so gut ich konnte mit einigen Papierhandtüchern das verkrustete Blut von meinem Gesicht und aus meinen Haaren zu wischen. Ich hatte keine Ahnung, wie das Blut aus meiner Nase in meine Haare gelangt war, aber es war dort. Ich hatte Blut in den Ohren, hinter den Ohren, am Hals, an den Armen – schon wieder war ein BH ruiniert, verflucht noch mal! Sogar an den Füßen hatte ich Blut.
Quer über meine Nasenwurzel verlief ein kleiner Schnitt, und beide Wangenknochen waren angeschwollen und gerötet. Morgen früh würde ich zwei Veilchen spazieren tragen, befürchtete ich. Außerdem hätte ich vermutlich so viele andere Schmerzen und Beschwerden, dass mir ein oder zwei blaue Augen völlig egal waren.
Wyatt hatte meine Tasche nicht finden können, weshalb ich kein Handy mehr hatte. Die Handtasche musste im Auto liegen … irgendwo … und das Auto stand hinter einem abgeschlossenen Zaun auf dem Polizeiparkplatz. Die Spurensicherung hatte sich den Wagen noch am Unfallort vorgenommen, wenigstens von außen, damit der Abschleppwagen ihn mitnehmen konnte, ohne dabei irgendwelche Spuren zu zerstören. Sie würden ihr Bestes tun, um auch den Innenraum zu analysieren, und dabei mit Sicherheit meine Handtasche finden, das hatte mir Wyatt versprochen. Außer meinem Portemonnaie und Scheckbuch war sowieso nichts Unverzichtbares darin. Aber ich hatte keine Lust, alle meine Kreditkarten sperren zu lassen und meinen Führerschein, die Versicherungsscheine sowie alle anderen Dokumente nachmachen zu lassen, weshalb ich inständig hoffte, dass sie die Tasche finden würden.
Mom hatte ich noch nicht angerufen, weil die Vorstellung, ihr erklären zu müssen, dass mich – schon wieder – jemand umzubringen versucht hatte, unendlich viel schlimmer war als die Nachricht, dass ich einen Unfall gehabt hatte.
Die Polizisten brachten mir immer wieder etwas zu essen und zu trinken. Vermutlich hatten sie von dem Keksdrama am Sonntag gehört und glaubten, dass ich etwas zur Kräftigung brauchte. Eine streng wirkende Frau mit straff geflochtenem Haar und korrekter blauer Uniform brachte mir einen Beutel Mikrowellen-Popcorn und entschuldigte sich sofort, dass sie mir nichts Süßes anbieten könne. Ich trank Kaffee. Ich trank Cola Light. Man bot mir Kaugummis und Käsecracker an. Kartoffelchips. Erdnüsse. Ich aß die Erdnüsse und das Popcorn und lehnte alles andere dankend ab, weil ich sonst geplatzt wäre. Eine Sache, auf die ich die ganze Zeit wartete, bekam ich allerdings nicht angeboten. Verzeihung, aber wo blieben bitte die Donuts?? Wir waren hier immerhin auf einem amerikanischen Polizeirevier, Herrgott noch mal! Jeder weiß, dass alle Bullen Donuts essen. Andererseits war es inzwischen Mittag, und die Donuts waren wahrscheinlich längst aufgegessen.
Der Polizist, der auch den Unfallort untersucht hatte, ein Mann namens Adams, ging mit mir ausführlich alle Ereignisse durch. Er ließ mich Diagramme zeichnen. Er zeichnete ebenfalls Diagramme. Ich begann mich zu langweilen und malte drei Smileys unter mein Diagramm.
Natürlich hielten sie mich beschäftigt. Das war kein Geheimnis. Wahrscheinlich taten sie es auf Wyatts Anordnung hin, damit ich nicht in Baileys Verhör stürmte, als würde mir so was einfallen. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber ich weiß, wann ich mich zurückhalten muss. Wyatt schien da seine Zweifel zu haben.
Gegen zwei Uhr kam Wyatt mich holen. »Ich bringe dich jetzt nach Hause, damit du dich sauber machen und etwas Frisches anziehen kannst; danach fahre ich dich fürs Erste zu deiner Mom. Gut, dass deine Koffer noch gepackt sind, denn heute Abend kommst du wieder zu mir.«
»Warum?«, fragte ich im Aufstehen. Ich hatte auf seinem Stuhl an seinem Schreibtisch
Weitere Kostenlose Bücher