Die Dornen der Rose (German Edition)
er gerade nicht am Fälschen war. Wenn du ein Dieb bist, habe ich da ein paar schöne Moralpredigten, die ich dir halten könnte.«
»So viel Glück habe ich leider nicht. Es sieht so aus, als hätte ich mich gegen die Revolution vergangen. Aber ich bin so verblödet, dass ich mich nicht daran erinnern kann, es getan zu haben.«
»Das ist wirklich unerfreulich, Guillaume. Aber du wirst feststellen, dass der Erfindungsreichtum des Tribunals fast unbegrenzt ist. Es wird dich überraschen, was du alles im Schilde geführt hast.« Vater Jérôme bewegte sich und stieß den trockenen Seufzer eines alten Mannes aus. »Abends nehme ich oben die Beichte ab. Die Wärter drücken eine Stunde lang die Augen zu. Du bist ein großer Kerl. Du wirst mir heute Abend die Treppe hochhelfen. Die beiden, die mich sonst gestützt haben, sind heute Morgen gegangen.«
» Gegangen « hieß, dass man sie zur Conciergerie gebracht hatte, um ihnen den Prozess zu machen. Inzwischen waren sie tot oder auf dem Weg zum Schafott.
»Wird mir eine Freude sein. Ich habe einen breiten Rücken.«
»Dann werden wir deinen Rücken einer guten Verwendung zuführen. Wenn man uns heute Abend zählt und Brot und Suppe bringt, nimm dir einen zusätzlichen Laib für die Hostie. Der Wärter wird so tun, als würde er nichts merken. Bring ihn später mit nach oben. Wir werden uns den Aufstieg mit dem Gespräch über deine Sünden vertreiben, die zweifellos zahlreich sind.«
»Es gibt schon ein paar.«
»Du wirst der Erste sein, den ich heute von seinen Sünden freispreche. Die Bußen, die ich dieser Tage verlange, sind nicht schwer. Ich bleibe dann oben im Dunkeln, wo du mich hingebracht hast. Das ist mein Beichtstuhl. Diejenigen, denen morgen der Prozess gemacht wird, kommen als Letzte. Wenn die fertig sind, hol mich wieder ab. Ich werde die Messe auf der Treppe abhalten. Wie viel Zeit ist seit deiner letzten Beichte vergangen, Guillaume?«
»Jahre.« Vielleicht hatte er als Kind an einen gütigen Gott geglaubt. Doch wohl nicht lange. »Das ist ein Schachbrett.«
Der Priester setzte sich ein bisschen gerader hin. »Spielst du?« Er berührte die Schachtel. »Man hat mir das hier und mein Brevier gelassen. Ich gebe es ungern zu, aber beides spendet mir Trost. Mein letzter Schachpartner ist leider gegangen.«
»Ja, ich spiele.« Schweigend sah er zu, wie der Priester die Schachtel öffnete und die Schachfiguren auf den Boden stellte. Es war ein altes Spiel. Bemaltes und vergoldetes venezianisches Pappmaschee. Jede Figur war detailgenau und filigran mit Banner und leuchtender Kleidung nachgebildet. Was hatte so ein schönes Spiel an einem so gottverdammten Ort verloren? »Wunderschön.« Er nahm das weiße Pferd in die Hand.
»Der junge Mann, der eine Weile mein Schachpartner war, hat es mir gegeben. Er hatte es von jemand anders bekommen, der es auch wieder von jemand anders hatte. Keiner weiß, wie lange dieses Spiel schon von Gefangenem zu Gefangenem gegangen ist.« Der Priester legte die geöffnete Schachtel umgekehrt auf den Boden, sodass sie ein Spielbrett hatten. »Du und ich spielen am Rande des Verderbens. Dem wohnt eine gewisse christliche Moral inne, mein lieber Breton, aber mir fällt keine Formulierung ein, die nicht geschwollen klänge. Nimm Weiß, wenn du so gut sein willst.« Er setzte die schwarzen Figuren mit einer Gewandtheit aufs Brett, die von viel Spielerfahrung sprach.
»Ich habe nichts dagegen, das Spiel zu eröffnen.« Was passiert gerade mit Maggie? Sie ist krank und mit ihrem Cousin allein im Haus. Ich kann nicht zu ihr.
Wenn er weiter daran dachte, würde er doch noch anfangen zu versuchen, mit bloßen Händen ein Loch in die Steinwand zu graben. Er musste seine Sorgen für eine Weile beiseitelassen. Sie verdrängen.
Doyle zog seinen Bauern vor. »Erzählen Sie mir von den Männern, die uns bewachen. Ist einer darunter, den ich besonders im Auge behalten sollte?«
34
Marguerite saß auf dem provisorischen Bett und lehnte mit dem Rücken an der Wand, während immer wieder Wellen des Schwindels und der Übelkeit sie erfassten. Sie hätte sich lieber hinlegen sollen, doch sie wollte der Krankheit, die jetzt so ungelegen war, nicht nachgeben. Aufrecht sitzen zu bleiben war ein kleiner Sieg. Sie brauchte solche kleinen Siege.
Sie ließ sich von Jean-Paul den Puls messen. »Gleich werde ich mich wahrscheinlich wieder übergeben. Auf dich.« Bei Jean-Paul waren keine Förmlichkeiten vonnöten. Ganz abgesehen davon, dass sie ein
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