Die Dornen der Rose (German Edition)
ein Dutzend andere.
»Dieses Papier ist sehr merkwürdig«, meinte sie. »Ich weiß natürlich, wer diese Männer sind. Wo hast du das her, Adrian?«
Guillaume nahm den Zettel, warf einen nachdenklichen Blick darauf, gab ihn ihr zurück und ging dann zu den anderen Zetteln, die auf der Steinmauer lagen und wie Federn an einem Flügel flatterten. Er ging die Papiere Seite für Seite durch und wurde dann ganz still. Eine weniger intelligente Ehefrau hätte ihn jetzt mit Fragen belästigt. Sie war nicht so dumm.
Guillaume sah den Jungen an. »Sprich.«
Es war rasch erklärt.
»Lass mich das noch einmal klarstellen. Du bist also in Robespierres Küche gegangen.«
»Ich wollte wissen …«
»Du bist mit seiner nächsten Rede abgezogen.« Guillaume ging noch einmal alle Zettel durch. »Das sind die Namen.«
»Was für Namen?«, fragte Adrian.
Sie gab sich selber und auch ihm die Erklärung und erkannte die Möglichkeiten, während sie sprach. »Er hat gesagt, er würde vor dem Nationalkonvent seine Feinde nennen und ihren Tod fordern. Ganz Paris wartet gespannt darauf, welche Namen er nennen wird.«
»Viele wollen wissen, ob ihre Namen hier stehen. In dieser Rede.« Guillaume schob die Papiere zusammen.
»Robespierre ist sich selber auch nicht sicher. Schau her. Er denkt mal an den einen, dann den anderen, streicht, setzt wieder dazu.«
»Wie viele sind es? … Sieben … acht Namen.«
»Wir können sie warnen«, sagte Marguerite. »Sie haben Zeit genug, sich in Sicherheit zu bringen.«
»Ich will nicht, dass sie sich in Sicherheit bringen. Ich will, dass sie sich erheben und kämpfen.« Nachdenklich betrachtete Guillaume das Blatt, das er in der Hand hielt. »Schau dir die Namen an. Das sind Männer, die kämpfen, wenn man sie in die Enge treibt. Wenn die wüssten, dass sie auf der Todesliste stehen, und wenn sie genügend Leute wären …«
Sie sah ihn an und wusste, was er gerade dachte. Was für einen Plan er hatte. »Du willst Abschriften hiervon«, sagte sie und zeigte auf das Papier, das er in der Hand hielt, »an Fouché, Tallien, Vadier und all die Männer schicken, deren Namen er erst weggestrichen und dann wieder hingeschrieben hat.«
Guillaume nickte.
»Man kann noch mehr tun. Man kann jeden Namen, den man will, hinzufügen. Man kann diese Rede an jeden schicken … sogar an Robespierres Verbündete. Keiner fühlt sich sicher. Jeder fühlt die Klinge im Nacken. Sowohl seine Verbündeten als auch seine Feinde werden sich gegen ihn verschwören.«
»Wenn es mir gelingt, ihnen diese Rede zuzuspielen, ehe Robespierre vor die Nationalversammlung tritt und sie hält.«
Robespierre hatte nicht selber mit der Schreckensherrschaft begonnen, doch er hatte sie vorangetrieben und die Peitsche geschwungen. Er hatte die Arbeit ihres Vaters genommen – die dummen, harmlosen Überlegungen über Genies – und daraus etwas Böses gemacht, sodass ihr Vater Anteil an der feigen Ermordung junger Männer hatte.
Da wäre es nur recht und billig, Robespierres selbst verfasste Rede zu benutzen, um ihn damit zu vernichten.
»Varenne«, sagte sie. »Füge Varenne hinzu. Und Barère.«
Er nickte bereits. »Hawker, geh nach drinnen. Suche einen Mann namens Ladislaus. Er ist Fälscher. Ich brauche ihn.« Er riss den Daumen hoch. »Im Laufschritt. Marsch.«
39
Marguerite hatte sich auf dem Speicher des Bordells einen Weg freigeräumt, um beim Nachdenken auf und ab gehen zu können. Wenn sie still saß, konnte sie das nicht. »Wir haben zwei Tage, vielleicht auch drei, ehe Guillaume der Prozess gemacht wird.«
»Zwei Tage«, sagte Jean-Paul. »Dafür wird Victor schon sorgen.«
Wir haben keine Zeit . Sie ging, machte kehrt und nam wieder zurück. »Dann haben wir also zwei Tage. Am leichtesten wäre es natürlich, einen Wärter zu bestechen. Wir kaufen uns seine Hilfe und liefern ihm irgendeinen Vorwand, um mit Guillaume das Gefängnis zu verlassen.«
Jean-Paul saß im Sessel am anderen Ende des Speichers. Seit einer ganzen Stunde schon hockte er mürrisch und verdrießlich da. »Lass die Anweisung übermitteln.«
»So eine Anweisung würden sie noch einmal überprüfen lassen, wenn sie nicht vom üblichen Boten überbracht wird.«
»Übersende einen Verlegungsbefehl. Das wäre doch die nächste logische Möglichkeit. Wir wedeln mit irgendeinem Papier vor den Wärtern herum und hoffen dann, dass sie uns Guillaume ausliefern. Wir brauchen eine Kutsche. Ein Pferd. Das können wir uns stehlen. Dann brauchen wir
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