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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Maßen versehen, die sie sich beim Abschreiten gemerkt hatte. Adrians genau beobachtete Ergänzungen betrafen Räume, die sie nicht gesehen hatte.
    So lässt es sich nicht bewerkstelligen. Nicht über die Wände. Und auch nicht durch Erdtunnel. Wir haben nicht genug Zeit.
    Doch sie würde nicht verzagen. Immer noch ging sie auf und ab. Jean-Paul kehrte zu seinem Sessel zurück und blickte grimmig aus dem Fenster.
    Séverine fragte: »Ist Ihr Freund in großen Schwierigkeiten? Der wandelnde Muskelprotz?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Es sind schwierige Zeiten«, sagte das Kind. »Wir müssen alle geduldig und klug sein.«
    »Wie wahr. Ich werde zwar nicht gerade geduldig sein, aber zumindest versuchen, klug an die Sache heranzugehen. Wäre ich Sindbad und hätte gerade meinen Roch nicht dabei …«
    »Was ist ein Roch?«
    Sie blieb stehen und kniete sich hin. »Das ist eine gute Frage. Der Roch ist ein großer, weißer Vogel mit riesigen Flügeln. Ausgestreckt würden sie von einer Seite des Marktplatzes bis zur anderen reichen, wenn ein Roch dort landen würde. Der Roch ernährt sich nur von Elefanten und Ingwer, und wenn man ihn hübsch bittet, lässt er einen auf seinem Rücken mitfliegen. Diese Vögel mögen kleine Mädchen, die blaue Kleider anhaben, besonders gern. Wusstest du das? Hast du deshalb heute ein blaues Kleid an?«
    Das Kind unterdrückte ein Kichern und amüsierte sich im Stillen. Es war nicht schüchtern, sondern einfach nur vorsichtig und verschlossen und lachte deshalb nicht laut. »Ich habe mein blaues Kleid an, weil mein grünes gerade gewaschen worden ist.«
    »Das ist ein sehr guter Grund. Aber wie ich schon sagte – wäre ich Sindbad, der übrigens Seefahrer war, und hätte gerade keinen Roch zur Hand, würde ich mit einem Ballon über Paris hinwegfliegen. Ich würde nach unten schauen und meinen Anker werfen …« Sie tat so, als würde sie einen Anker werfen. »Und eine lange Leiter herunterlassen. Mein wandelnder Muskelprotz würde daran hochklettern, und dann würden wir zusammen wegfliegen.«
    Das gefiel Séverine. Jean-Paul gab ein Brummen von sich und stand auf, um noch einmal die Skizzen und Pläne durchzugehen. Er würde keine ihrer Ideen im Keim ersticken, denn er wusste, dass ihr Gehirn viel Blödsinn produzierte.
    Sie kam hoch, um sich wieder in Bewegung zu setzen.
    Wenn man einen Tunnel grub, konnte man in gutem Boden bis zu einem halben Meter in einer Stunde schaffen. Schaufeln, Bretter, Männer, Säcke, Bestechungsgelder … aber so einfach war es nie. Für zehn Meter brauchte man einen Tag. Oder eine Woche.
    Sie hatte schon viele Rettungsaktionen geplant. Ihr Instinkt sagte ihr, was machbar war und was nicht.
    Jean-Paul legte die Skizzen weg. Nachdem sie beide sie gesehen hatten, würden sie verbrannt werden.
    »Wir haben nicht die Zeit, einen Tunnel ins Gefängnis zu graben«, sagte sie. »Und über die Wände kommen wir auch nicht hinein.«
    »Ich weiß.«
    Séverine folgte ihr auch mit dem Blick. »Erzählen Sie mir noch eine …«
    Sie hatte nichts gehört, aber plötzlich kam Adrian durch die Falltür nach oben.
    Er zog sich mit einer Hand auf den Boden des Speichers hoch, während er den anderen Arm unter die Jacke drückte. Als diese öffnete, sah man, dass er blutüberströmt war.
    »Adrian.« Sie half ihm beim letzten Stück nach oben. »Was hast du da? Zeig es mir.«
    Sie schlug seine Jacke auf, um besser sehen zu können. Sein Ärmel war zerfetzt. Als sie ihm die Jacke abstreifte, konnte man sehen, dass der Ärmel seines Hemds mit Blut getränkt war. Er blutete, und Tropfen für Tropfen fiel auf den Boden.
    »Du hast eine Spur hinterlassen«, fuhr Jean-Paul ihn an. Er schwang sich durch die Falltür auf die Leiter.
    »Hab ich nicht«, rief Adrian ihm hinter. Und dann grummelte er es noch einmal an sie gewandt. »Ich habe keine Spur hinterlassen. Ich bin doch kein Idiot. Ich hab den Arm eine Meile von hier eingewickelt. Ich hab keinen Tropfen verloren. Ich würde doch keinen hierherführen.«
    »Natürlich nicht«, beschwichtigte sie ihn. »Ich bin mir sicher, dass du vorsichtig warst.«
    Als sie sich umdrehte, stellte sie verblüfft fest, dass Séverine den schweren Wasserkrug mit beiden Händen hielt und vorsichtig absetzte. Dann lief sie los, um eine Schüssel und Tücher zu holen.
    Was für ein Leben führt dieses kleine Kind, dass es sofort weiß, was zu tun ist, wenn jemand eine Stichwunde hat?
    Adrian schälte den Ärmel von seiner Haut und legte vier

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