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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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endet der Schacht in irgendeinem Garten.«
    Alle standen da und schauten nach oben.
    »Die Öffnung ist so groß, dass ein Mann hindurchschlüpfen kann, der an einem Seil herabgelassen wird. Es ist immer gut, einen weiteren Eingang zu haben«, meinte das Hähnchen.
    Sie waren ganz nahe. Sie wusste es. Wenn sie diese Felswände und Steinpfeiler doch nur auseinanderreißen könnte, würde sie den Brunnen finden. Wir werden es nicht rechtzeitig schaffen. Es war ein Fehler von mir, es überhaupt zu versuchen.
    Jean-Paul trat neben sie. »Wir können immer noch auf die List mit der Gefangenenverlegung zurückgreifen, um ihn morgen bei Tagesanbruch herauszuholen. Die Zeit würde reichen, die Papiere zu fälschen, wenn wir jetzt zurückgehen. Wir nehmen Harriers Kutsche und ihn als Fahrer. Und ich gebe immer noch einen überzeugenden Wärter ab.«
    Du wirst dein Leben nicht aufs Spiel setzen – du, der Frau und Kind hat und noch ein Kind, das unterwegs ist. »Nein.«
    »Marguerite …«
    »Ich habe mich entschieden, Jean-Paul. Entweder so oder gar nicht. Wir haben uns festgelegt.«
    Sie stritten nicht darüber, doch keiner von ihnen rührte sich von der Stelle. Sie würden weitersuchen, aber alle wussten, dass es sinnlos war.
    Von irgendwoher strich ein Wind aus den Schächten und entwich durch die Öffnung in der Decke. Normalerweise hätte man den leichten Luftzug gar nicht bemerkt. Doch hier unten hörte sie ihn als leises Wispern.
    Das ist das Königreich der Stille. Geräusche sind hier nur Besucher . Die Kerzenflamme flackerte, als sie ausatmete.
    Und da wusste sie es.
    »Ein Brunnen ist nicht nur ein Loch im Boden«, erklärte sie. »Man befördert damit Wasser nach oben. Die Kette schlägt gegen Metall. Der Eimer platscht aufs Wasser. Die Winde knirscht, wenn der volle Eimer nach oben gezogen wird. Wir haben einen Fehler gemacht. Wir dürfen nicht nach dem Brunnen Ausschau halten. Wir finden ihn über das Gehör.«
    Vielleicht waren sie nicht sehr achtsam. Vielleicht liefen sie allzu schnell von einem Stollen in den nächsten, um mit dem Ohr am Felsen zu lauschen. Doch das schadete nichts.
    Justine war diejenige, die schließlich etwas hörte. Weniger als zehn Meter von der Stelle entfernt, wo sie ihre Sachen abgeladen hatten, hörte sie das schwache, doch durchdringende Knirschen der Kette hinter einer Wand aus mit Mörtel zusammengefügten Steinquadern.
    Adrian lief los, um Spitzhacken und Stemmeisen zu holen. Sie brauchten fünf Minuten, um den Mörtel aufzubrechen und einen Stein zu lösen. Vorsichtig. Leise.
    »Wenn das hier der Brunnen ist«, flüsterte Jean-Paul, »kann man uns hier unten hören. Ich möchte nicht, dass man sich fragt, warum die Frösche plötzlich reden können.«
    Er zog den Stein heraus und trat zurück. Durch die eine Handbreit große Öffnung sah man, dass dahinter eine Höhle war. Und ein winziger, kaum wahrnehmbarer Funken Licht.
    »Wir haben es geschafft«, sagte sie.

43
    Als die Öffnung groß genug war, schob sie sich mit dem Oberkörper in den Brunnen und drehte sich, um nach oben zu schauen. Der Lichtfleck, den sie ausmachen konnte, war nicht größer als eine Münze. Eine kleine Münze, aber sie blendete. Was Gegensätze doch ausmachten.
    Sie sprachen nur im Flüsterton miteinander. Alle paar Minuten wurde der Eimer heruntergelassen und voll wieder nach oben gezogen.
    Sie stellte sich etwas entfernt von der Öffnung hin, sodass das Licht ihrer Kerze nicht in den Brunnenschacht fiel und keiner etwas bemerkte, der zufällig nach unten schaute. Es gab eine Ecke, wo zwei Wände aufeinanderstießen. Dort würde sie warten.
    »Ich möchte dir eigentlich sagen, dass du hier nicht bleiben kannst.« Jean-Paul seufzte. »Aber du wirst genau das tun, was du dir in den Kopf gesetzt hast.«
    »Es gibt nichts Sinnvolles, was ich oben machen könnte. Victor ist hinter mir her. Ich bringe mich schon in Gefahr, wenn ich mich auf der Straße nur zeige. Und alle anderen auch, die mit mir zu tun haben.« Darum musste sie bleiben. Jean-Paul würde das auch wissen.
    »Bei La Flèche neigen wir nicht zu großen Gesten, Marguerite.«
    »Diese große Geste nehme ich mir heraus.«
    Er wusste, dass es sinnlos war, mit ihr darüber zu diskutieren.
    Sie richtete sich auf eine Wartezeit ein. Das Hähnchen kam und küsste sie auf beide Wangen. Er überließ ihr seine Jacke, in die sie sich einwickeln und auf der sie sitzen konnte. Er packte Kerzen, Feuerstein und Zunder aus und legte alles neben sie hin.

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