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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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LeBreton.
    Und sie hatte nirgends eine Waffe. Was gab es hier? Holzbänke. Einen Tisch. Zwei Stühle. Offener Schrank mit Tellern auf den Regalen. Töpfe auf dem Herd. Eine leere Wiege. Alain hatte die Wiege für Charles geschnitzt. Jetzt wurde sie für das Baby benutzt. Die Fenster waren mit Läden geschlossen, durch die Schlitze fiel Licht in den Raum. Es gab hier nichts, was sie als Waffe hätte benutzen können.
    LeBreton legte das Lederpäckchen auf den Tisch und zupfte an dem Knoten der Schnur. »Wir haben die Straße von Vachielle über den Hügel dort genommen. Das war ein Fehler.« Er fingerte weiter an dem Knoten, wobei sein Gesicht sich vor Konzentration anspannte. »Man hat uns gesagt, das sei eine Abkürzung. › Suzette ‹ , habe ich gesagt – ich nenne sie Suzette, obwohl sie eigentlich Suzanne heißt. Aber ich hatte mal eine Kuh, die Suzanne hieß, ehe ich geheiratet habe, und ich konnte für meine Frau doch nicht den gleichen Namen benutzen wie für meine Kuh, oder?« Er nestelte weiter an dem Päckchen.
    »Gib das her.« Der Sergeant lehnte sein Gewehr an den Tisch und wickelte, vor sich hin brummend, die Schnur ab.
    »Ich hab zu Suzette gesagt: › Wenn du mich fragst, ist das keine richtige Abkürzung, wenn man dann die ganze Zeit bergauf marschieren muss. ‹ «
    Er war schlau. Aber es spielte keine Rolle, was er sagte oder wie unschuldig er wirkte. Diese Männer hatten den Befehl, jeden festzuhalten, der in dieses Haus kam.
    Sie zitterte vor Angst. Wenn sie aufhörte zu denken, würde sie gar nicht mehr wissen, was sie tun sollte. Ein Gewehr ist auf uns gerichtet. Ich werde mir das andere nehmen .
    Sie fing an, leise vor sich hin zu schimpfen. »Der Weg wäre kürzer, wenn wir uns nicht deinetwegen verlaufen hätten.« Keiner achtete auf sie. Auf lästige Frauen, die zetern und schimpften, achtete niemand. Sie schob sich langsam Richtung Gewehr, das der Sergeant an den Tisch gelehnt hatte.
    »Ein Dorf weiter kommt Boullages, nicht wahr?« LeBreton sprach jetzt in ganz breitem, kaum noch verständlichem Dialekt. »Da kommen wir doch hin, wenn wir auf dieser Straße bleiben, oder?«
    »Wenn du nicht endlich den Mund hältst, kommst du nirgends mehr hin.«
    Dem Sergeant war es gelungen, das Päckchen zu öffnen. Mühsam wurden die Papiere entfaltet und flach auf den Tisch gelegt – der Pass, ein zerknitterter Bogen mit einer Marke darauf, und eine kleinere Urkunde, die fast neu war. Der Sergeant ging sehr vorsichtig mit den Papieren um, wie jemand, der den Umgang mit Dokumenten nicht gewöhnt war.
    »Sehen Sie. Dies hier.« LeBreton legte seine Hand auf den Pass. »Das bin ich. Sehen Sie? Bon… i… face… Jo… bard.« Er deklamierte den Namen mit dem Stolz des Analphabeten. »Boniface Jobard. Bewohner des Bezirks Marchés der Pariser Kommune. Und das hier. Das ist mein Bürgerbrief. Der sagt, dass ich ein guter Patriot und aktiver Bürger bin. Mein Freund Louis Bulliard …«
    »Sei still. Ich kann lesen.« Der Sergeant schob LeBretons Hand zur Seite, nahm das Pass-Dokument hoch und sah es finster an. »Ich lasse mich von Papieren nicht beeindrucken, Bürger. Banditen und Konterrevolutionäre laufen auch mit beeindruckenden Papieren herum. Ich werde selber entscheiden, was du bist und warum du hier bist.«
    Sie schob sich am Tisch entlang, als wollte sie auch einen Blick auf die Dokumente werfen. Sie stand dicht davor. Sie könnte sich zwischen den Sergeant und das Gewehr stellen. Es war nur noch ein Schritt.
    »Daran erkennt man einen ehrlichen Menschen. Einer, der Papieren nicht traut.« LeBreton drehte sich Bestätigung heischend zu dem anderen Gardisten um und tat einen Schritt auf ihn zu. »Das habe ich schon immer gesagt. Auf Papier findet man nicht die Wahrheit.«
    Sie waren beide gut positioniert – sie und LeBreton. Beide in Reichweite eines Gewehrs. Es war an der Zeit, zur Tat zu schreiten. Wir müssen es jetzt tun. Soll ich auf sein Signal warten oder …
    Ein Schatten zog an dem mit Läden verschlossenen Fenstern vorbei. Vielleicht ein Blatt oder ein Vogel, der vorbeigeflogen war und den Weg der Sonnenstrahlen gekreuzt hatte.
    LeBreton, der gerade erklärte, dass zu viel Schreiben den Niedergang der Freiheit bedeutete, kratzte sich am Bauch. Er streckte und beugte die Finger.
    Ich habe Adrian ganz vergessen. Gleich passiert es . Angst verdichtete sich zu eisigen Speerspitzen, die sich in ihre Haut bohrten. Jetzt.
    Der Sergeant legte die Papiere wieder zusammen. »Ich frage mich,

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