Die Dornen der Rose (German Edition)
schickte ihn weg. Während sie ihren Korb auf den Tresen stellte, steckte sie ihr heimlich eine Nachricht zu, die sie schon in der Hand hielt. »Für den Gärtner«, flüsterte sie.
Ein schneller Blick durch den Raum, dann verschwand das Briefchen. »Wie können wir Ihnen dienen?«, fragte Olivie, und dann ganz leise, sodass kein anderer sie hören konnte: »Gibt es neue Befehle?«
»Nein.« Sie hob die Stimme. »Heute das heiße Bad, auch wenn es draußen unangenehm warm ist.«
Daraufhin kam eine Magd mit Handtüchern und einer robe de chambre . Alles lag flach über ihren Armen, und sie hielt die Sachen vorsichtig, denn sie waren noch heiß, weil sie über kleinen Kohlenpfannen erwärmt worden waren. Olivie führte sie persönlich zu einem Zimmer am Ende der Reihe, wo Stille und Abgeschiedenheit herrschten. Links von ihr befand sich die unauffällige Tür, die den Herren- und Damenbereich voneinander trennte. Diese Räumlichkeiten hatten schon viele heimliche Treffen gesehen. Es war schon traurig, dass Ehebruch und die Aktivitäten von La Flèche so viel miteinander gemein hatten.
Das Badezimmer war ein heller Raum mit riesigen Fenstern, die mit Blenden versehen waren, um das Licht durchzulassen. Die Wände waren in einem Muster bemalt, das den Eindruck hervorrufen sollte, sie bestünden aus Marmor. Die Magd legte den Stapel Handtücher und den zusammengefalteten Hausmantel auf eine Kommode und ging dann, um das Bad vorzubereiten.
Olivie, die den Korb mitgebracht hatte, stellte ihn ab, nahm die Abdeckung herunter und begann, die saubere Kleidung, Bürste und Badeöle herauszuholen. »Dürfen wir Ihnen Wein bringen? Oder eine kleine Mahlzeit? Nicht? Sie haben recht. Es ist viel zu warm, um zu essen. Da ist eine Kompresse mit zerstoßenen Minzeblättern für die Stirn, falls Sie die ausprobieren möchten.« Olivie entkorkte eine der Flaschen mit dem Badeöl. »Das riecht gut. Neroli und Koriander?«
»Genau. Aus einem Laden im Palais Royal. Fast ganz am Ende, wo die Fächer verkauft werden. Sie kennen ihn.«
Olivie schnupperte noch einmal an der Flasche. »Der Duft würde nicht zu mir passen. Für Sie aber ist er genau richtig. Frisch und kräftig. Ungewöhnlich. Ich hätte normalerweise gesagt, dass es kein Duft für ein junges Mädchen ist.«
Ich bin gar nicht so jung . Über der Kommode hing ein Spiegel. Darin sah sie unauffällige braune Haare. Einen breiten, eigensinnig wirkenden Mund. Auf der Nase hatte sie einen Sonnenbrand. Ihre Augen waren vor Erschöpfung tief eingesunken. Die eine Gesichtshälfte war durch eine Prellung leicht verfärbt.
Guillaume sagte, sie sei wunderschön.
Was soll an diesem Gesicht denn so hübsch sein? Was sieht er darin? Vielleicht war es ja Maggie, die Guillaume schön fand. In den letzten paar Stunden war ihr Maggie abhandengekommen. Im Spiegel sah sie nur noch Marguerite.
Die Magd beugte sich nach vorn und wischte die Badewanne aus Kupfer ein letztes Mal aus. Das sollte nur noch deutlicher zeigen, dass alles absolut sauber und frisch war. In diesem Haus gab es keine Nachlässigkeit beim Reinigen. Die Frau legte die Wanne mit Handtüchern aus, damit man beim Baden nicht mit kaltem Metall in Berührung kam, und drehte die Wasserhähne, warm wie auch kalt, auf, ehe sie den Raum mit der umsichtigen Ruhe verließ, die einen gut ausgebildeten Dienstboten ausmachte.
Alles war leise und ohne Aufhebens erledigt worden. »Ist sie eine von uns?«, fragte Marguerite. »Ich kenne sie nicht.«
»Nein, wir nehmen an, dass sie ein Polizeispitzel ist. In den nächsten ein bis zwei Stunden werde ich sie wegschicken und woanders etwas erledigen lassen. Irgendetwas Unangenehmes, wenn ich das hinbekomme.«
In Paris war jedes Café, jeder Buchladen und jedes Eckgeschäft politisch. Genauso das Chinesische Bad. Es war eine Hochburg der radikalsten Jakobiner, leidenschaftlichen Anhängern von Robespierre. Für La Flèche war es natürlich ein hervorragender Ort, wo man sich förmlich im Schoße der Fanatiker verstecken konnte. Aber in einem solchen Schoß musste man vorsichtig sein.
Olivie schnürte ihr das Kleid im Rücken auf. »Das ist hübsch.« Das Gewand war nach der neuesten Mode geschneidert. Weich und kühl, doch unpraktisch im Rücken zu schließen. »Ich traue mich nicht, so etwas anzuziehen, aber Sie haben die Figur dafür. Haben Sie alles, was Sie brauchen?«
»Alles, bis auf das Bad. Ich bin unglaublich schmutzig – geradezu eine Ansammlung allen Schmutzes der Welt. Wenn
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