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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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kleine Feier auf den Decken ab, wobei sie den Becher und die Rosinen hin und her gehen ließen und darauf achteten, dass auch die Puppe ihren Anteil abbekam. Séverine aß dann auch Belle-Maries Anteil, weil diese aufgrund von Verdauungsproblemen nichts essen konnte.
    Das Zimmerfenster befand sich auf der Rückseite des Bordells, und man konnte von dort die Stallungen und den dahinterliegenden Schuppen sehen. Männer kamen und gingen bereits mit ihren Pferden. Die Geschäfte des Hauses waren angelaufen.
    Séverine legte sich hin und drückte Belle-Marie fest an sich. Justine nahm Séverine in die Arme.
    Sie würde ein bisschen schlafen und dann mit ihrer Arbeit beginnen, wenn es Abend war und somit kühler. Schon bald würde eine leichte Brise durch die Straßen wehen. Die Leute vom Land nannten die Stunde zwischen Abenddämmerung und Nacht die »Stunde zwischen Hund und Wolf«. Sie hatte beschlossen, in Zukunft der Wolf zu sein und nicht der zahme Hund.

21
    Marguerite hatte die Kutschfenster geöffnet und schaute während der Fahrt auf die Straße.
    Die heiße Sonne stand hoch am Himmel. Die Straßen waren überfüllt. In den Cafés auf dem Boulevard des Italiens drängten sich die Menschen. Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert.
    Vor fünf Jahren hatten wir keine Angst.
    Gastwirte zogen wie immer Tische auf den Bürgersteig. Frauen in hellen, bedruckten Kleidern und großen Hüten tranken Wein oder Kaffee. Wie Vogelschwärme versammelten sie sich unter den Bäumen, hockten mit weit ausgebreiteten Röcken auf Binsenstühlen, schwangen ihre Fächer und plauderten, während sie von ihren Dienstmädchen, Kindern und Hunden umgeben waren. Junge Männer, die über die Boulevards flanierten, wanderten gemächlich von Gruppe zu Gruppe. Sie beugten sich über die Rückenlehnen der Stühle, flirteten und tauschten geistreiche Bemerkungen aus.
    Das Lachen und die Kuchenkrumen, die den Tauben zugeworfen wurden, bezeugten in gewisser Weise Mut. Denn keinen Kilometer entfernt, im Osten von Paris, starben Menschen unter der Guillotine. Tod und grausame Brutalität bestimmten den Alltag, doch nicht hier. Dieser Boulevard war die vorderste Linie im Kampf gegen die Barbaren, die ihr Paris zerstört hatten. Geistreiches Geplauder, Bonmots und Gespräche übers Theater leisteten den Widerstand an diesen Barrikaden. Die Schleife an einer Haube, Spitze an einem Hut waren die Waffen.
    Mit einem letzten Ruck kam die Kutsche vor dem Chinesischen Bad zum Halten.
    Ein beim Bad angestellter Junge kam angerannt, um den Schlag zu öffnen und den Tritt herunterzulassen. Wie ein Eichhörnchen kletterte er zum Fahrer hinauf, um ihm ihr Geld auszuhändigen. Dann folgte er ihr nach drinnen, wobei er ihren Korb trug und über die Hitze plauderte. Oh ja, viele gute Bürger, viele flotte junge Männer, würden heute kommen, um sich im Wasser zu entspannen. Er sei seit heute Morgen damit beschäftigt, Limonade und Kaffee nach oben zu tragen. Was für eine Hitze. Alle klagten darüber.
    Künstliche Berge zu beiden Seiten bildeten den Eingang, wenn man das eleganteste der öffentlichen Bäder betrat. Statuen von Chinesen, die Schirme in der Hand hielten, hatte man auf Felsvorsprüngen arrangiert. Im zentralen Innenhof gab es eine rotgelbe Pagode, in der ein Café untergebracht war, und einen Garten, in dem die Badenden sich erfrischen konnten. Die Räume mit den Bädern befanden sich oben. Auf der linken Seite waren die Räumlichkeiten der Männer, auf der rechten Seite die für die Frauen untergebracht.
    Ob dieses chinesische Bad einer Musterung in Peking oder Shanghai standhalten würde, wusste sie nicht. Aber für Paris war es chinesisch genug. Sie stieg die Treppe auf der rechten Seite hoch und traf auf eine alte Freundin, Olivie Garmand, die hier arbeitete und gerade die Oberaufsicht hatte. Die korpulente Frau mit glattem, tiefschwarzem Haar stand an der Rezeption. Bei La Flèche trug sie den Namen Wachtel. Sie war so unauffällig und zurückhaltend wie ihre Namensvetterin.
    Olivie war die Torhüterin zu einem Weg, der aus Frankreich herausführte. Männer und Frauen betraten die Bäder und wurden nicht mehr gesehen, bis sie sich im für sie sicheren England befanden.
    Olivie begrüßte sie mit einem Nicken, zwar höflich, doch ohne Knicks, als wäre sie eine Revolutionärin durch und durch. »Bürgerin. Es ist lange her. Schön, Sie wiederzusehen.«
    »Bürgerin Olivie. Guten Tag.« Sie drückte dem Jungen eine Münze in die Hand und

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