Die Dornen der Rose (German Edition)
rechten Ärmel bis zum Ellbogen hoch, was für jemanden, der sich auskannte, ein Warnsignal gewesen wäre.
Le Brochet trat hinter ihm nach draußen. Das Rascheln von Stoff und die beschleunigte Atmung sagten ihm, dass Le Brochet sein Messer gezogen hatte.
Wenn ein Mann nicht weiß, wie man mit einem Messer kämpft, sollte er es zu Hause lassen. Wenn man ein Messer hält, kann man mit der Hand nichts anderes mehr machen. Wenn man es schlecht hält, bringt es einen aus dem Gleichgewicht. Ein Dummkopf versucht, immer wieder nach einem zu stechen, statt sich mit dem ganzen Körper in den Kampf zu stürzen.
Also begann der Kampf damit, dass Le Brochet auf ihn zugetaumelt kam, was bedeutete, dass er unter Le Brochets Arm hindurchschlüpfte, ihm den Ellbogen in den Mund rammte, damit er still blieb, und ihm dann in die Eier trat. Ihm das Messer wegnahm. Ungefähr zehn Sekunden wirklicher Kampf.
Er schwang ein Bein über Le Brochets Rücken und nahm ihn fest zwischen beide Schenkel. Dann packte er ein Büschel Haar und zog den Kopf hoch, sodass die Kehle freilag. Er legte sein Messer unter Le Brochets Ohr. Es würde ein sauberer Schnitt sein. Mit dem hochgerollten Ärmel würde er sich noch nicht einmal das Hemd besudeln. Noch ehe der Leichnam aufhörte zu zucken, würde er schon über die Mauer gesetzt haben und Faubourg Saint-Marcel hinter sich gelassen haben.
Doyle wird das nicht gefallen.
Der Gedanke störte seine Konzentration. Le Brochet fing an zu gurgeln. Deshalb drückte er mit dem Messer etwas fester zu, um den Mann an seine Sterblichkeit zu erinnern.
Lazarus hatte ihm befohlen, den Kerl zu töten. » Lose Enden versäubern « , nannte er das. Keiner missachtete Lazarus ’ Befehle.
Doyle wollte die Namen auf der Liste. Er wollte Männer retten, die eigentlich sterben sollten. Bestimmt würde er auch gern erfahren wollen, welche französischen Spione in England arbeiteten. Aus einer Leiche bekam keiner mehr irgendwelche Informationen heraus.
Zur Hölle mit Doyle.
»Ich schwöre dir«, brabbelte Le Brochet, »ich wollte dir nur ein bisschen Angst einjagen. Das schwöre ich bei Gott. Lieber Saint Vincent, verzeih mir. Ich wollte dich nicht umbringen. Wollte nicht Hand an dich legen.«
Anders als manche hatte Hawker keinen Spaß daran, wenn Männer anfingen, zu betteln und zu flehen. Das war auch der Grund, warum er seine Arbeit so gut machte. Er ließ sich nicht ablenken.
Doyle würde sagen, dass jeder Narr einen Menschen töten kann. Sogar ein Hund kann einen Menschen töten. Eine Laus, die man kaum sieht, kann einen Menschen töten. »Halt’s Maul. Ich kann nicht nachdenken, wenn du so winselst.«
»Ich hab Geld. Schmuck. So’n Aristokratenzeug. Richtig gute Sachen. Ich sag dir, wo. Werde alles mit dir teilen. Ich wollte dir nichts tun. Ich schwör’s. Bei Saint Vincent. Wollte nur ein bisschen Spaß machen. Wollte dich nicht …«
Wenn ich diesen Abschaum am Leben lasse, wird Lazarus mir mit einem Ruck das Genick brechen. Er wird lachen, während er das tut. »Lass uns über einen Besuch in England reden. Nur wir beiden von Kumpel zu Kumpel. Du wirst mir jeden Einzelnen nennen, den du gesehen hast. Jedes Papier, das du befördert hast. Du wirst mir von jedem Mal erzählen, bei dem du am Straßenrand gepisst hast.«
Es dauerte eine Weile. Sein Arm, der Le Brochets Kopf hochhielt, fing an müde zu werden.
»Ich weiß nichts. Ich weiß nichts. Da war nur ein Mann. Ein Gentleman. Ich kann nichts über ihn sagen. Das schwöre ich. Er traf mich auf der Straße. Er kannte mich. Ich kannte ihn nicht.« Le Brochet saugte Blut ein. Auf seinem Gesicht waren mehrere kleine Schnitte, die seine Erinnerung hatten auffrischen sollen. »Ich überbringe Nachrichten. Transportiere Sendungen. Das habe ich schon immer gemacht. Er hat mir Geld gegeben und gesagt, wohin ich damit sollte. Zu Lazarus. Zu einem Mann namens Crawford. Zu irgendeiner Taverne. Frag nach Mr Phineas. Übergib einen Umschlag. Dann geh da und da hin und frag nach Mr Tuckahoe.«
Er habe sich nicht gemerkt, wie sie aussahen. Er wusste nur, dass es Männer waren. Ganz normale Männer. Einige seien Franzosen gewesen, vermutete er. Einige waren Engländer, glaubte er. Nein, er habe die Papiere, die er beförderte, nicht angesehen.
Er erinnerte sich an jedes Mädchen, mit dem er geschlafen hatte, in allen obszönen Einzelheiten. Doch was die Mörder anging, die er für die Morde an Menschen bezahlt hatte, erinnerte er sich an rein gar nichts.
Was
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