Die Dornen der Rose (German Edition)
Ausmaß ausdrücken könnte?
»Es war nicht die ganze Zeit Nacht«, erklärte sie. »Sobald sich auch nur ein Anflug von Helligkeit am Himmel zeigt, kommen die anständigen Frauen heraus. Hier im Café sind nur anständige Frauen, bis auf die Huren natürlich, und ich bin nicht wie eine Hure gekleidet. Es ist nur so kalt geworden. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es kalt sein würde.«
Sie zog die Arme eng an den Körper. Wenn ihr kalt war, dann lag es nicht an der Luft. Die Kälte kam bei ihr von innen. Es war an der Zeit, sie nach Hause zurückzubringen, damit man sie ins Bett brachte. Nicht in sein Bett. Leider.
»Wusstest du, dass man den Prostituierten von Paris den Krieg erklärt hat?« Sie hielt die Tasse mit beiden Händen fest und schenkte ihr ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Man hat Hunderte auf den Straßen eingesammelt und damit die Gefängnisse noch voller gemacht. Gott sei Dank bringen sie sie nicht um. Sie bessern sie nur, indem sie sie Strümpfe für die Soldaten stricken lassen.«
»Nachdem wir das wissen, fühlen wir uns doch alle viel sicherer auf den Straßen, nicht wahr?« Maggie hatte schon bezahlt, doch er legte trotzdem noch einen zusätzlichen Sou auf den Tisch, wie ein Mann es tat, wenn er eine Frau beeindrucken wollte. Dass er ihren Arm nahm und ihr beim Aufstehen half, passte nicht in dieses Café oder zu der Kleidung, die er anhatte. Doch jeder Mann verhielt sich so bei der Frau, der er den Hof machte.
»Es kommt nicht unbedingt gut bei allen an, dass die Huren eingesammelt werden, aber natürlich sagt das keiner öffentlich, aus Angst, dann in den Korb zu niesen, wie man das unter der Guillotine tut. Ich glaube nicht, dass man mit der Besserung der Moral weit kommen wird. Die Franzosen mögen ihre Huren. Man wird Mitleid mit ihnen haben.«
Wäre er ein weniger standfester Mann gewesen, hätte er jetzt geseufzt. »Wollen wir uns hier noch länger darüber unterhalten, wo alle uns hören können, oder möchtest du nicht lieber gleich herumschreien und laut auf die Regierung schimpfen? Es wäre doch schade, wenn wir für weniger verhaftet würden.«
»Du hast vollkommen recht. Man sollte nur in wichtigen und ernsten Angelegenheiten ein Risiko eingehen. Bei allem anderen sollte man äußerst vorsichtig sein. Für Leichtsinn wird man von den Göttern nicht belohnt.«
Er würde sie bis direkt vor die Tür bringen und sie jemandem übergeben, der sich um sie kümmerte. Nicht Victor. Maggie musste in dem Haus doch jemanden haben, dem sie vertraute. »Bringen wir dich jetzt mal nach Hause. Vielleicht hat ja gar keiner bemerkt, dass du bei Tagesanbruch außer Haus mit einem Lumpen Kaffee getrunken hast.«
Sie ging vorsichtig, als hätte sie Schwierigkeiten, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Noch ein Grund für ihn, sie festzuhalten.
Er wartete, bis keiner sie mehr belauschen konnte. »So. Jetzt erklär mir mal, was du meinst, über mich zu wissen.«
31
Es war ganz früh am Morgen, als sie Seite an Seite mit Guillaume durch die in tiefem Schlaf liegenden Straßen ging.
Ihr Vater hatte Angst vor diesem Mann. Er hatte allen Grund dazu. »Bist du nach Frankreich gekommen, um meinen Vater umzubringen?« Sie war der Lügen gegenüber Guillaume LeBreton überdrüssig und wollte auch von ihm keine mehr hören.
»Wie kommst du darauf?«
»Mein Vater glaubt, dass die Engländer Männer geschickt haben, die ihn umbringen sollen. Ich werde dich nicht bitten zuzugeben, dass du ein englischer Spion bist, obwohl ich mittlerweile fest davon überzeugt bin. Ich sage nur, dass du meinen Vater nicht umbringen darfst. Er ist ein Narr und halb verrückt, aber deshalb darf ihn niemand töten.« Und weil ihr der Gedanke erst nachträglich gekommen war, fügte sie noch schnell hinzu: »Und du wirst auch nicht zulassen, dass Adrian ihn tötet.«
»Der Junge bringt niemanden um. Und ich auch nicht.« Er betastete seine Narbe. »Wenn du meinst, ich schlafe mit einer Frau und bringe dann ihren Vater um, kennst du mich schlecht.«
»Ich glaube, du würdest es bedauern, Verrat an einer Frau zu begehen, aber du würdest es tun.«
Sie gab Guillaume Zeit, in Ruhe darauf zu antworten. Sie waren mittlerweile auf ihrem Weg um so viele Ecken gebogen, dass der Lärm aus der Stadt nicht mehr zu hören war. Da es inzwischen dämmerte, wurden an jedem Haus, an dem sie vorbeikamen, die Lampen hereingenommen. Es war die Aufgabe der Dienstboten, die als Erstes aufstanden, die kleinen Kerzen zu löschen, die die
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