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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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als irgendwer sonst in ganz Australien. Sonderbar, daß sie mir erst vor vier Wochen den Auftrag gab, mich mit den Direktoren von Michar Limited in Sydney in Verbindung zu setzen, weil sie präzise über ihren Vermögensstand informiert werden wollte. Nun, ihr Gesamtvermögen belief sich bei ihrem Tode auf etwas mehr als dreizehn Millionen Pfund.«
    »Dreizehn Millionen Pfund!« sagte Paddy in jenem Ton, in dem man astronomische Zahlen zu nennen pflegt, Entfernungen in Millionen Lichtjahren etwa; sie bleiben einem ohnehin unvorstellbar. »Damit ist die Sache endgültig entschieden, Harry. Die Verantwortung über soviel Geld will ich nicht.«
    »Das ist doch keine Verantwortung, Paddy! Verstehen Sie denn immer noch nicht? Geld in dieser Größenordnung sorgt gewissermaßen für sich selbst! Mit der Arbeit, die es machen könnte, haben Sie gar nichts weiter zu tun. Da sind Hunderte von Leuten, die man eigens dafür angestellt hat, daß sie sich um alles kümmern. Fechten Sie das Testament an, Paddy, bitte! Ich werde dafür sorgen, daß Sie die besten Anwälte im ganzen Land bekommen, und falls nötig, wird die Sache bis zur letzten Instanz, bis zum Privy Council, durchgepeitscht.«
    Plötzlich schien Paddy zu begreifen, daß die Angelegenheit ja nicht nur ihn betraf, sondern seine ganze Familie. Er blickte zu Bob und Jack, die verwirrt nebeneinander auf einer florentinischen Marmorbank saßen. »Jungs, was meint ihr dazu? Sollen wir versuchen, Tante Marys dreizehn Millionen Pfund für uns zu bekommen? Wenn ihr ja sagt, bin ich bereit, das Testament anzufechten, sonst nicht.« »Aber wir können doch so und so auf Drogheda leben, nicht?« fragte Bob. »So steht’s doch wohl im Testament.«
    Die Antwort gab Harry. »Weder eurem Vater noch euch, noch euren Kindern kann irgend jemand das Recht nehmen, auf Drogheda zu leben.«
    »Und wir werden hier im großen Haus wohnen, und Mrs. Smith und die Dienstmädchen werden sich für einen anständigen Lohn um uns kümmern«, sagte Paddy, der über dieses Glück, das die Clearys erwartete, fassungsloser zu sein schien als darüber, daß ihnen dreizehn Millionen Pfund entgingen.
    »Was wollen wir mehr, Jack?« fragte Bob seinen Bruder. »Findest du nicht auch?«
    »Mir recht«, erwiderte Jack.
    Pater Ralph bewegte sich unruhig. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, die Meßgewänder abzulegen, trug also noch Albe und Kasel. Ein wenig abseits der anderen stand er in einer schattigen Ecke des Salons, irgendwie einem Zauberer ähnlich, einem verführerisch schönen, gleichsam umflorten Hexenmeister. Sein Gesicht wirkte völlig ausdruckslos, oder eher: vollkommen beherrscht. Doch in der Tiefe seiner blauen Augen zeigte sich ein eigentümliches Entsetzen, auch eine Art Benommenheit, und fast so etwas wie Groll. Nein, Paddy dachte offenbar nicht daran, ihm die so ersehnte Sühne in Form wilder Wut und abgrundtiefer Verachtung zuteil werden zu lassen. Paddy reichte ihm alles auf dem goldenen Teller seiner
    Freundlichkeit und Gutwilligkeit und dankte ihm sogar noch dafür, daß er die Clearys von einer Bürde erlöste.
    »Was ist mit Fee und Meggie?« fragte der Priester schroff. Er fixierte Paddy scharf. »Meinen Sie nicht, daß auch die Frauen mitzuentscheiden haben?« »Fee?« fragte Paddy eifrig zurück.
    »Wie immer Sie sich auch entscheiden, Paddy«, sagte der Priester, »mir ist es recht.« »Meggie?«
    »Ich will ihre dreizehn Millionen Silberlinge nicht«, sagte Meggie, die Augen starr auf Pater Ralph gerichtet.
    Paddy wandte sich dem Anwalt zu. »Dann ist es entschieden, Harry. Wir wollen das Testament nicht anfechten. Soll die Kirche Marys Geld haben, uns ist es recht.«
    Harry hieb seine Hände gegeneinander. »Gottverdammt, es ist mir zuwider, mit ansehen zu müssen, wie ihr um euer Erbe gebracht werdet.«
    Paddys Stimme klang eigentümlich leise. »Was mich betrifft, ich danke meinen Sternen für Mary. Wenn sie nicht gewesen wäre, würde ich noch immer in Neuseeland sitzen und mich abplacken, um mit meiner Familie irgendwie durchzukommen.« Als sie den Salon verließen, blieb Paddy plötzlich stehen und streckte dem Priester die Hand hin, eine sehr bewußte und demonstrative Geste. Beim Eingang zum Speisezimmer drängten sich die Neugierigen, die faszinierten Trauergäste, die sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollten.
    »Pater«, sagte Paddy, »denken Sie bitte nicht, daß von uns irgendeiner irgendwem was nachträgt. Mary hat sich ihr Leben lang nie nach einem

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