Die Dornenvögel
Homestead zu verteidigen. Und sie mußten sofort zurück, bevor ihre ermüdeten Pferde vom Feuer eingeholt werden konnten. Die Schafe waren nicht zu retten, aber das half nun mal nichts.
Als sie durch die Furt ritten, besprengte der alte Tom noch immer die Häuser.
»Guter Kerl, Tom!« rief Bob. »Mach so weiter, bis die Hitze zu groß wird, aber warte nicht zu lange, hörst du? Sieh zu, daß du dich rechtzeitig in Sicherheit bringst. Bloß kein falsches Heldentum. Du bist wichtiger als so ein bißchen Holz und Glas.« Überall auf dem Gelände der Homestead sah man Autos, und aus Richtung Gilly näherten sich in der Dunkelheit weitere Scheinwerfer, gleißend und hüpfend. Als Bob absaß, sah er, daß schon eine große Gruppe von Männern auf ihn und die anderen wartete. »Wie groß ist es, Bob?« fragte Martin King.
»Zu groß, um es bekämpfen zu können, glaube ich«, sagte Bob verzweifelt. »Ich schätze, daß die Front etwa acht Kilometer breit ist, und bei diesem Wind frißt es sich ungefähr genauso schnell vorwärts, wie ein Pferd galoppieren kann. Ich weiß nicht, ob wir die Homestead retten können, aber ich meine, Horry sollte sich bereitmachen, seinen Besitz zu verteidigen. Er wird als nächster an die Reihe kommen, denn ich wüßte nicht, wie wir’s je stoppen sollten.« »Nun, ein großes Feuer war bei uns seit langem überfällig. Das letzte große hatten wir 1919. Ich werde dafür sorgen, daß sich eine Gruppe von uns nach Beel-Beel aufmacht. Aber wir sind hier schon ein ganzer Haufen, und es kommen noch mehr. Gilly kann zur Feuerbekämpfung fast fünfhundert Mann aufbieten. Einige von uns werden hierbleiben, um zu helfen. Gott sei gedankt, daß ich westlich von Drogheda liege, kann ich nur sagen.«
Bob grinste. »Sie sind ja ein mächtiger Seelentrost, Martin.« Martin blickte um sich. »Wo ist Ihr Vater, Bob?« »Westlich vom Feuer, genau wie Bugela. Er war draußen in Wilga, um sich ein paar Mutterschafe wegen des Lammens anzusehen, und Wilga liegt wenigstens acht Kilometer westlich von der Stelle, wo das Feuer ausgebrochen ist, schätze ich.« »Sonst keine Männer, um die Sie sich Sorgen machen?« »Nein, heute nicht, dem Himmel sei Dank.« In gewisser Weise, dachte Meggie, als sie das Haus betrat, war dies wie ein Krieg. Nichts durfte überhastet werden, jede Aktion sollte unter Kontrolle bleiben und mit Umsicht durchgeführt werden, und dazu gehörte auch, daß in der richtigen Weise für Essen und Trinken gesorgt wurde, damit Kraft und auch Mut erhalten blieben. Es bedeutete aber auch die Gefahr einer unmittelbar eintretenden Katastrophe.
Neuankömmlinge stießen zu jenen Männern, die jetzt die wenigen direkt am Creek-Ufer stehenden Bäume fällten. Auch das überlange Gras an der Peripherie wurde beseitigt. Meggie erinnerte sich, wie sehr sie es seinerzeit bei der Ankunft auf Drogheda bedauert hatte, daß die Home Paddock im Vergleich zum ringsum liegenden bewaldeten Gelände geradezu kahl war. Jetzt begriff sie, weshalb das so sein mußte. Die Home Paddock war im Grunde nichts anderes als eine gewaltige kreisförmige Feuerschneise.
Alle sprachen von den Feuern, die Gilly im Verlauf seiner rund siebzigjährigen Geschichte erlebt hatte. Seltsamerweise bildeten solche während einer ausgedehnten Dürreperiode nie die Hauptgefahr, weil es einfach nicht genügend Gras gab, von dem sich die Flammen lange nähren konnten. In Zeiten wie dieser - ein oder zwei Jahre nach besonders schweren Regenfällen, wenn das Gras lang und üppig wuchs und dann zundertrocken wurde - geschah es, daß Gilly seine großen Feuer erlebte, von denen sich manche, die nicht unter Kontrolle gebracht werden konnten, über Hunderte von Kilometern hinwegfraßen.
Martin King hatte den Befehl über die dreihundert Männer übernommen, die Drogheda verteidigen sollten. Er war der Senior unter den Viehzüchtern im Distrikt und hatte seit fünfzig Jahren Feuer bekämpft.
»Bugela umfaßt 60000 Hektar«, sagte er, »und 1905 habe ich dort jedes Schaf und jeden Baum verloren. Fünfzehn Jahre brauchte ich, um wieder auf die Beine zu kommen, und eine Zeitlang glaubte ich schon, ich würde es nicht schaffen.«
Der Sturm heulte noch immer, und Brandgeruch verpestete die Luft. Die Dunkelheit, die über dem Land lag, wurde am westlichen Himmel aufgerissen durch eine wie giftige Helle, und der Rauch, jetzt in Bodennähe herbeitreibend, löste bei so manchem Hustenanfälle aus. Bald darauf sahen sie die ersten Flammen, riesige
Weitere Kostenlose Bücher