Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
Gespür in ihren Knochen.
    Im Winter 1932 kamen dann wieder die trockenen Stürme, zusammen mit bitterer Kälte, aber durch das üppige Gras wurde es mit dem Staub längst nicht so schlimm wie sonst, und es gab auch nicht so viele Fliegen. Für die frisch geschorenen Schafe war das allerdings ein geringer Trost, die zitterten erbärmlich in der Kälte. Eine gewisse Mrs. Dominic O’Rourke, die in einem Holzhaus wohnte, genoß es unendlich, Besucher aus Sydney zu empfangen, und zu der üblichen »SightseeingTour« gehörte dann auch eine Stippvisite auf Drogheda. Mrs. O’Rourke ging es darum, ihren Gästen zu beweisen, daß auch auf den Schwarzerdebenen manche Menschen durchaus stilvoll zu leben verstanden. Bei der Besichtigung der Homestead kam die Rede stets unvermeidlich auf jene frisch geschorenen Schafe. Erbärmlich dünn wirkten sie, ähnelten irgendwie abgesoffenen Ratten, und jetzt waren sie dem Winter also ohne Schutz ihrer zwölf bis fünfzehn Zentimeter dicken Wollhülle ausgesetzt. Doch - wie Paddy ernst zu einem dieser Besucher sagte - ergab das bessere Wolle. Auf die Wolle kam es an, nicht auf die Schafe. Bald darauf druckte der »Sydney Morning Herald« einen Brief ab, in dem vom Parlament einschneidende Gesetze gefordert wurden, um ein für allemal »der Grausamkeit der Viehzüchter« einen Riegel vorzuschieben. Die arme Mrs. O’Rourke war entsetzt, doch Paddy lachte, bis ihm der Bauch weh tat.
    »Nur gut, daß dieser Dummkopf nie gesehen hat, wie so ein Scherer einem Schaf den Bauch aufschlitzt und dann mit einer Ballennadel wieder zunäht«, sagte er beschwichtigend zu Mrs. O’Rourke. »Lohnt nicht, sich darüber aufzuregen, Mrs. Dominic. In der Stadt weiß doch keiner, wie man auf dem Land lebt, und die Leute dort können sich den Luxus leisten, ihre Tiere so zu verhätscheln, als ob’s Kinder wären. Hier draußen ist das anders. Hier werden Sie nie erleben, daß ein Mann, eine Frau oder ein Kind, die in Not sind, ohne Hilfe bleiben. Aber in den Städten sind’s dieselben Leute, die sich wegen ihrer Tiere reinweg umbringen, denen das Schicksal ihrer Mitmenschen völlig gleichgültig ist. Die hören auf keinen Hilferuf, und wenn jemand noch so laut schreit.«
    Fee hob den Kopf. »Er hat recht, Mrs. Dominic«, sagte sie. »Wir verachten immer das, wovon es zuviel gibt. Hier draußen sind das Schafe, aber in der Stadt sind es Menschen.«
    An jenem Tag im August, als der große Sturm losbrach, war nur Paddy weit von der Homestead entfernt. Er saß ab, band sein Pferd sorgfältig an einen Baum und setzte sich unter eine Wilga, um hier alles abzuwarten. Ganz in seiner Nähe kauerten, vor Furcht zitternd, seine fünf Hunde dicht beisammen. Die Schafe, die er in eine andere Koppel hatte treiben wollen, zerstreuten sich mehr und mehr in verängstigte kleine Gruppen, die in allen Richtungen auseinanderstrebten, ziellos. Und es war ein furchtbarer, ein wirklich grauenvoller Sturm. Noch spielte er seine volle Kraft, seine wirklich vernichtende Wucht nicht aus. Aber auch so war es schon schlimm genug, und Paddy steckte die Finger in die Ohren, machte die Augen zu und betete.
    Nicht weit von seinem Platz unter der Wilga mit den ruhelos hin und her peitschenden Ästen und Zweigen ragte ein etwa fünfzehn Meter hoher toter Eukalyptusbaum empor und schien mit seiner scharfen, wie zerrissenen Spitze einzutauchen in die tiefhängenden, nachtschwarzen Wolken. Unten um den Stamm wirbelte der Sturm abgestorbene Stümpfe und Stämme, rings umgeben von hohem Gras.
    Ein blaues Feuer, so grell und so scharf, daß es Paddy durch die geschlossenen Lider in den Augen schmerzte, ließ ihn aufspringen aus seiner kauernden Stellung. Doch sofort wurde er, einem Spielzeug gleich, wie von einem ungeheuren Explosionsdruck zu Boden geschleudert. Er hob den Kopf, ein kleines Stück nur, und sah noch, wie der Blitz in vernichtender Wunderpracht gleißende blaue und purpurrote Feuer am toten Stamm des Eukalyptusbaums hinauf- und herunterlaufen ließ. Und dann, noch ehe Paddy recht begreifen konnte, was überhaupt geschah, begann alles zu brennen. Längst war aus dem toten Eukalyptusbaum und dem toten Holz drumherum der letzte Tropfen Feuchtigkeit verdunstet, und das hohe Gras glich knochentrockenem Zunder. Wie eine trotzige Antwort der Erde an den Himmel schoß von dem gigantischen Baum eine Feuersäule hoch, die weit emporstieg über die scharfe, gezackte Spitze. Im selben Augenblick ging auch der Haufen aus toten Stämmen und

Weitere Kostenlose Bücher