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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Feuerzungen, die dreißig Meter und mehr in den Rauch emporloderten. Und jetzt konnte man das Fauchen hören, oder eher ein Brüllen, wie von einer hochgepeitschten Zuschauermasse in einem Fußballstadion. Die Bäume am westlichen Rand des bewaldeten Ringes rund um die Home Paddock fingen Feuer, und undurchdringliche Flammenwälle schossen in die Höhe. Von der Veranda aus beobachtete Meggie wie erstarrt die winzigen Silhouetten der Männer vor der grellen Lohe. Unablässig schienen sie hin und her zu springen, ja zu zucken, wie gefolterte Seelen in der Höllenglut. »Meggie, komm endlich herein und stell diese Teller dort auf das Sideboard, Mädchen! Wir sind hier nicht beim Picknick, hörst du!« erklang die Stimme ihrer Mutter, und widerstrebend verließ sie die Veranda.
    Zwei Stunden später kam die erste Gruppe erschöpfter Männer hereingeschwankt, um sich zu stärken und frische Kräfte zu schöpfen, bevor sie den Kampf draußen fortsetzten. Und hierfür hatten die Stationsfrauen sich abgeplackt: hatten Stew und Damper-Brot - eine ungesäuerte Brotart - gemacht, hatten Tee und Bier und auch harten Alkohol bereitgestellt, und zwar in solchen Mengen, daß es selbst für dreihundert Männer reichte. Bei einem Feuer tat jeder, was er oder sie am besten konnte, und das hieß, daß es Aufgabe der Frauen war, für die Verpflegung zu sorgen, damit die überlegenen Kräfte der Männer möglichst erhalten blieben. Rasch leerten sich die Kisten voller Bier- und Schnapsflaschen und wurden sofort durch neue ersetzt. Rußgeschwärzt und vor Erschöpfung schwankend, standen die Männer, kippten Getränke in sich hinein, stopften gewaltige Stücke Damper-Brot hinterher und löffelten auch einen Teller voll Stew, sobald es nur abgekühlt war. Jetzt noch ein letztes Glas Schnaps, und schon liefen sie wieder hinaus zum Feuer. Wenn Meggie zwischendurch aus dem Kochhaus Nachschub holte, starrte sie immer wieder zu den Flammen, und was sie empfand, war eine eigentümliche Mischung aus Entsetzen und Erschauern. Auf seine Weise besaß das Feuer eine Schönheit jenseits alles Irdischen, denn es war etwas, das von den Himmeln kam, von unendlich weit entfernten Sonnen, deren Licht kalt zur Erde kam, von Gott und vom Teufel.
    Die Front des Feuers hatte sich inzwischen längst weitergeschoben. Sie war gleichsam in Richtung Osten vorübergaloppiert, so daß das Feuer die Homestead nun von allen Seiten umschloß. Vieles ließ sich jetzt deutlicher erkennen, während zuvor, als die Front mit rasender Geschwindigkeit näherrückte, alles nur eine einzige Lohe gewesen war. Rot und gelb und weiß flackerte und flammte es, in vielen Abstufungen, in vielerlei verschiedenfarbigen Tönen. Ein hoher Baum, die schwarze Silhouette wie umrandet von einer Orangenschale, glühend, glosend. Hoch oben in der Luft schwebende Glutasche, wie irre Phantome durcheinanderwirbelnd. Pirouetten tanzende Fabelwesen. Gelbes Pulsieren aus den erschöpften Herzen ausgebrannter Bäume. Ein sprühender Schauer blutroter Funken, als jetzt die Gummiresina eines Baumes explodierte. Urplötzlich emporleckende Flammenzungen an einer Stelle, wo das Feuer, nach erbarmungslosem Kampf, nun doch noch Fuß faßte. O ja, in irgendeiner Weise war es eine wunderschöne, eine einzigartige Nacht, und Meggie sollte die Erinnerung daran ihr ganzes Leben behalten.
    Plötzlich nahm die Wucht des Windes so zu, daß es die Glutasche bis zum Haus herübertrieb, und da sich alle Männer draußen auf der Home Paddock befanden, kletterten die Frauen in aller Hast hinauf aufs Dach, mit feuchten Beuteln bewaffnet, während sie selbst in schützendem Sacktuch steckten, das sie sich über die Kleider gezogen hatten. Wie wild schlugen sie mit ihren Beuteln auf die herabfallende Glutasche ein, um sie zu ersticken, dabei fürchtend, das Metalldach könnte einbrechen. Denn nicht nur feine Flugasche senkte sich aufs Haus, es schleuderte auch glühende und brennende Kloben herbei, die krachend aufs Dach schlugen und die man sofort mit von nassem Tuch geschützten Händen hinunterwerfen mußte, in der Hoffnung, daß sie auch wirklich auf der Erde landeten und nicht irgendwo in hölzernen Verstrebungen.
    Doch am schlimmsten hauste das Feuer jetzt rund fünfzehn Kilometer weiter östlich auf Beel-Beel.
    Die Drogheda-Homestead lag nur fünf Kilometer von der östlichen Begrenzung des Besitzes. Dann kam Beel-Beel, und dahinter, noch weiter östlich, befand sich Narrengang. Als sich die Windgeschwindigkeit von

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