Die Dornenvögel
plötzlich flammenartig Lichtreflexe auf, wenn nämlich der Wind ihre glänzenden Oberseiten aufwärts drehte. Unter Baumgruppen schienen wie gähnende Schlünde Schatten aufzuklaffen, geheimnisvolle Eingänge zur Unterwelt.
Meggie hob den Kopf, sie versuchte die Sterne zu zählen und konnte es nicht. Wie winzige Tautropfen auf einem Spinnennetz erschienen sie, nur stecknadelkopfgroß, und sie flammten auf, flackernd, irrlichternd, erloschen wieder, und flammten auf und erloschen, an und aus, an und aus, in einem Rhythmus, der so zeitlos war wie Gott. So schön und so überaus still und stumm schwebten sie hoch über ihr, wirklich ein Sternenzelt.
Die einzigen Geräusche waren der Wind im Gras und in den Bäumen, sachtes Rascheln und Rauschen, ab und zu eine Art metallenes Klicken, vom Rolls, dessen Motor abkühlte, und das Klagen und Zanken schläfriger Vögel, die sie in ihrer Ruhe aufgestört hatten. Und Gerüche? Sie ließen sich nicht genauer definieren, es war der leise, oft wie verhauchende Geruch des Buschs. Luke holte Tabakbeutel und Zigarettenpapier hervor und begann, sich eine Zigarette zu drehen.
»Sind Sie hier im Outback geboren, Meghann?« fragte er, während er mit nachlässigen, altgewohnten Bewegungen Zigarettenpapier und Tabak in der Hand hin und her rollte.
»Nein, ich bin in Neuseeland geboren. Wir sind vor dreizehn
Jahren nach Drogheda gekommen.«
Er war mit dem Drehen fertig, feuchtete das Papier sacht mit der Zunge an, stopfte noch ein paar Tabakfäden mit einem Streichholz fest, riß das Streichholz dann an und sog den Zigarettenrauch ein. »Hat Ihnen Spaß gemacht heute abend, nicht?« »O ja!«
»Ich würde Sie gern zu all den Tänzen ausführen.« »Danke.«
Er verstummte wieder, rauchte seine Selbstgedrehte und blickte zum Rolls und zu der Baumgruppe, wo die Vögel noch immer fragten und klagten, schimpften und zankten. Als er die Zigarette zu Ende geraucht hatte, ließ er sie aus seinen tabakfleckigen Fingern zu Boden fallen und drehte seinen Stiefelabsatz darauf hin und her und hin und her, scheinbar fast wütend, bis er sicher war, daß da nicht das winzigste Stückchen Glut mehr sein konnte. Niemand drückt oder tritt eine Zigarette sorgfältiger aus als ein australischer Buschmann.
Mit einem Seufzer löste Meggie sich von der mondüberhauchten Landschaft, und zusammen gingen sie zum Rolls zurück. Luke war viel zu gescheit, als daß er versucht hätte, sie zu küssen. Schließlich hatte er ja die feste Absicht, sie zu heiraten, und da - nun, auf jeden Fall war es besser, mit dem Küssen noch zu warten, bis sie von sich aus eben das herbeiwünschte. Es gab andere Tänze, zu denen er wieder mit ihr fuhr, während der Sommer voranschritt und dann ausklang in blutiger, staubiger Pracht. Auf der Homestead gewöhnte man sich nach und nach daran, daß Meggie jetzt einen Freund hatte und einen sehr gutaussehenden dazu. Ihre Brüder verkniffen sich sogar gutmütige Witze, weil sie Meggie zu sehr liebten, und außerdem mochten sie alle Luke O’Neill. Er war der fleißigste und härteste Arbeiter, den sie je eingestellt hatten, und eine bessere Empfehlung konnte es nicht geben. Was seinen Mangel an Besitz betraf, so fiel das bei ihnen nicht weiter ins Gewicht. Sie waren von Haus aus viel eher Arbeiter als Squatter söhne. Fee hätte in manchem vielleicht kritischere
Maßstäbe angelegt, doch sie stand all dem viel zu gleichgültig gegenüber, um das auch zu tun. Lukes unerschütterliche Meinung von sich selbst, auf jeden Fall mehr zu sein als ein gewöhnlicher Viehtreiber, trug sozusagen Früchte; die Clearys behandelten ihn praktisch als ihresgleichen.
Es wurde zur Gewohnheit, daß er, wenn er nicht gerade draußen auf den Koppeln war, abends ins große Haus kam. Nach einer Weile erklärte Bob, es sei doch wirklich albern, daß Luke für sich allein esse, wo bei den Clearys auf dem Tisch es wahrlich übergenug gebe. Schließlich erschien es unsinnig, daß Luke, wenn er sich mit Meggie noch bis spät so nett unterhalten hatte, zum Schlafen fast zwei Kilometer bis zu seinem Quartier marschieren mußte. Also stellte man ihm frei, in eines der kleinen Gästehäuser hinter dem großen Haus zu ziehen.
Meggie dachte jetzt viel über ihn nach, und ihr Urteil war, wie nicht anders zu erwarten, längst nicht mehr so geringschätzig oder doch abwertend wie zu Anfang. Und sie verglich ihn auch nicht unentwegt mit Pater Ralph. Die alte Wunde begann zu heilen. Nach einer Weile vergaß sie, daß
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