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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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ein Schurschuppen. Wenn schon, dann wollte er hier zumindest der Boß sein, der Mann, der an diesen krummen Hunden von Schafscherern lässig vorbeipatrouillierte und ihnen auf die emsigen Finger sah, daß die Vliese auch ja ordentlich geschoren wurden.
    Am Ende der Hütte, auf seinem fetten Arsch, sitzt der Boß und bläst den anderen den Marsch. So hieß es in einem alten Schafscherer-Lied, und ein Boß, ja, ein Boß wollte Luke O’Neill unbedingt sein. Sich ein Leben lang bei der Schur abplacken, den Rücken so krumm, daß er fast wie ein Buckel aussah, die Arme so lang, daß die Hände dicht bei den Knien pendelten? Nein, das kam für ihn nicht in Frage, es sei denn, er hätte die Chance gehabt, ein Dreadnought-Scherer zu werden, was entschieden noch über dem Gun-Scherer stand. Dreadnought-Scherer nannte man jene wenigen, gleichsam Auserwählten, die es schafften, pro Tag über dreihundert Schafe zu scheren, eine kaum glaubliche Zahl. Leider war Luke da seine Körpergröße im Wege. Er besaß, wie manche das wohl nennen würden, ungünstige Hebelverhältnisse. Anders gesagt: Er brauchte für viele Bewegungen etwas mehr Zeit, Bruchteile von Sekunden in der Regel nur, was sich jedoch, auf die Dauer gesehen, entsprechend summierte und dann eben den Unterschied ausmachte zwischen ihm und einem DreadnoughtScherer.
    So sann er auf eine andere Methode, um an sein Ziel zu gelangen. Es fügte sich, daß er um diese Zeit gerade entdeckte, wie anziehend er auf Frauen wirkte. Er tauschte seinen Job als Schafscherer gegen den eines Viehtreibers ein und unternahm dann in der angedeuteten Richtung seinen ersten Versuch: auf der Station Gnarlunga, denn dort gab es eine Erbin, die zudem auch noch ziemlich jung und ziemlich hübsch war. Am Ende hatte es allerdings sein Pech gewollt, daß sie einem anderen den Vorzug gab, einem Einwanderer, dessen ausgefallene Abenteuer ihn schon bald zur Busch-Legende hatten werden lassen.
    Von Gnarlunga zog Luke O’Neill zur Station Bingelly, wo er einen Job als Zureiter bekam. Aus den Augenwinkeln sozusagen beobachtete er stets und ständig die Homestead, wo die alternde und absolut unattraktive Erbtochter mit ihrem verwitweten Vater lebte. Arme Dot, ums Haar hätte er sie für sich gewonnen. Aber am Ende entsprach sie dann doch dem Wunsch ihres Vaters und heiratete den rüstigen Sechziger, dem der benachbarte Besitz gehörte. Immerhin hatte er für diese zwei Versuche drei Jahre seines Lebens drangegeben, und er fand, daß zwanzig Monate pro Erbin ganz einfach zu lang und zu langweilig waren. Um richtig auf seine Kosten zu kommen, beschloß er, sich im Land umzutun. Dabei konnte er seiner Wanderlust frönen und womöglich gleichzeitig nach »lohnenswerten Projekten« Ausschau halten. So wurde er denn ein Drover, jener Typ von Viehtreiber, dessen Aufgabe es ist, sogenannte Ferntriebe zu leiten und zu überwachen, die ausgedehnten Viehwanderungen entlang der Stockroutes, altgewohnte Methode des Vieh-»Transports«. Im westlichen Queensland war ihm bald jede Stockroute bestens vertraut, den Cooper und die Diamantina entlang, den Barcoo und den Bulloo Overflow hinab, bis zur nordwestlichen Ecke von Neusüdwales.
    Inzwischen jedoch war er dreißig geworden, und es wurde allmählich Zeit, daß er die Gans fand, die ihm wenigstens einen Teil der erträumten goldenen Eier legte.
    Von Drogheda hatte jeder schon gehört, doch Luke begann die Ohren zu spitzen, als es hieß, dort gebe es nur eine einzige Tochter. Erben würde sie zwar nicht, soviel stand offenbar fest, aber vielleicht gab man ihr, als Mitgift sozusagen, bei Kynuna oder Winton wenigstens bescheidene 50000 Hektar. War zwar gar nicht so übel, das Land dort um Gilly, aber doch nicht ganz so nach Lukes Geschmack, zu viele Waldungen, viel zuviel Bäume. Luke liebte die Endlosigkeit von Western Queensland, wo das Gras sich bis zum Horizont erstreckte und Bäume in der Hauptsache etwas waren, wovon man gehört hatte, daß es sie irgendwo weiter östlich gab. Ja, das Gras, nur das Gras, gleichsam ohne Anfang und ohne Ende. Hatte man Glück, so konnte man auf je vier Hektar Land, die man besaß, ein Schaf rechnen, mehr nicht. Oft war der Boden nämlich ohne Gras, völlig kahl, nur harte, rissige Schwarzerde, Wüstenebene. Das Gras, die Sonne, die Hitze und die Fliegen! Jedem Menschen sein eigenes Himmelreich, und dies also war der Himmel für Luke O’Neill.
    Was es sonst noch über Drogheda zu wissen gab, hatte er aus Jimmy Strong herausgeholt,

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