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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Tränen aus. Gott verdamme alle Männer außer Luddie, Gott verdamme sie! War es der weiche, sentimentale, fast weibliche Zug in Luddie, der ihn der Liebe fähig sein ließ? Hatte Luke etwa recht? War Liebe vielleicht wirklich nichts als ein weibliches Hirngespinst? Oder handelte es sich um etwas, das nur Frauen empfinden konnten und solche Männer, in denen auch etwas Weibliches war - ja, Weibliches und nicht etwa Weibisches? Keiner Frau würde es wohl je gelingen, Luke an sich zu binden, keiner Frau war es je gelungen. Was er wollte, konnte keine Frau ihm jemals geben.
    Doch am nächsten Tag fühlte sie sich ruhiger und meinte nicht länger, all ihre Versuche seien völlig sinnlos gewesen. Von Meggie war eine Postkarte gekommen. Enthusiastisch pries sie Matlock Island und schrieb, es gehe ihr ganz ausgezeichnet. Etwas Gutes, dachte Anne, hatte das Ganze jedenfalls gehabt. Meggie fühlte sich besser. Wenn sie aus dem Urlaub zurückkam, würde sie ihr Leben besser meistern können. Anne beschloß, ihr nichts über Luke und seine Reaktion zu sagen.
    Auf ihre Anweisung trug Nancy - wie Annunziata kurz gerufen wurde - Justine auf die Vorderveranda hinaus, während Anne, den Henkel eines kleinen Korbes zwischen den Zähnen, dem jungen Mädchen folgte. In dem Korb befand sich, was das Baby brauchte: Windeln, Spielzeug, Puder. Anne setzte sich auf einen Stuhl, nahm das Baby und gab ihm die Flasche mit Lactogen, die Nancy warmgemacht hatte. Der Tag war angenehm, das ganze Leben war angenehmer. Sie hatte alles getan, um Luke zur Besinnung zu bringen, und wenn ihr das trotzdem nicht gelungen war, so bedeutete das zumindest, daß Meggie und Justine noch eine Weile länger auf »Himmelhoch« bleiben würden. Irgendwann mußte natürlich der Tag kommen, an dem Meggie es aufgab, ihre Ehe kitten zu wollen - oder wie immer man es nennen wollte -, und nach Drogheda zurückkehrte. Vor diesem Tag fürchtete sich Anne.
    Von Dungloe her kam ein roter Sportwagen herbeigejagt, ein englisches Modell offenbar. Er bog in die Abzweigung nach »Himmelhoch« ein und nahm den steilen, langen Anstieg. Ein nagelneues Auto war es, wie Anne jetzt deutlich sehen konnte, ja, nagelneu und mit Sicherheit sehr teuer. Doch den Mann, der am Steuer saß und der jetzt, als der Wagen vor dem Haus hielt, mit einem Sprung über die niedrige Autotür hinwegsetzte, diesen Mann kannte sie nicht. Sie sah nur, daß er die North- Queensland-Einheitsuniform trug - Shorts und nichts sonst - und daß er offenbar ein Bild von einem Mann war. Jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, kam er jetzt die Treppe herauf, und seine grauen Schläfen verrieten, daß er keineswegs mehr der jüngste war. Alle Achtung, dachte sie, in einer besseren körperlichen Verfassung habe ich noch keinen Zuckerrohrschnitter gesehen.
    Als dann der Blick aus den ruhigen, eigentümlich distanziert wirkenden Augen auf sie traf, erkannte sie den Mann in Shorts. »Mein Gott!« sagte sie und ließ die Flasche des Babys fallen. Er hob sie auf, gab sie Anne, lehnte sich dann mit dem Rücken gegen die Verandabrüstung. »Alles in Ordnung. Der Nuckel ist mit dem Boden nicht in Berührung gekommen. Sie können der Kleinen die Flasche wieder geben.«
    Sie steckte dem Baby den Nuckel gerade rechtzeitig in den Mund, bevor es zum großen, vielleicht zum ganz großen Protest kommen konnte. Dann hob sie den Kopf. »Nun, Euer Exzellenz, das ist aber wirklich eine Überraschung!« Amüsiert ließ sie ihren Blick über ihn hinweggleiten. »Ich muß schon sagen, wie ein Erzbischof sehen Sie nicht gerade aus. Aber eigentlich haben Sie ja nie so ausgesehen. Ich jedenfalls habe mir Erzbischöfe, ganz gleich welcher Konfession, immer als dicke und selbstzufriedene Herren vorgestellt.« »Im Augenblick bin ich kein Erzbischof, sondern nur ein Priester im wohlverdienten Urlaub. Sie können mich also Ralph nennen. Ist dies das kleine Ding, das Meggie soviel Schwierigkeiten machte, als ich das letzte Mal hier war? Darf ich sie mal haben? Ich glaube, ich bring’s sogar fertig, die Flasche im richtigen Winkel zu halten.« Er setzte sich auf einen Stuhl neben Anne, nahm Baby und Flasche, schlug die Beine übereinander, steckte Justine vorsichtig den Gummisauger zwischen die Lippen.
    Und dann fragte er: »Meggie - Meggie hat ihr den Namen Justine gegeben, nicht wahr?« »Ja.«
    »Gefällt mir. Guter Gott, wenn man sich ihr Haar ansieht, genau der gleiche Farbton wie bei ihrem Großvater.«
    »Das hat Meggie auch gesagt.

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