Die Dornenvögel
schon, mit einer Haut, die von der Sonne so stark gegerbt war, daß sie buchstäblich Leder ähnelte. Auch in seiner Art war er wie Paddy, ruhig und freundlich, doch voll innerer Kraft. Allerdings fehlte ihm jener ausgeprägt väterliche Zug. Was kaum überraschen kann, dachte Meggie, er hat ja noch keine eigene Familie. Und plötzlich stutzte sie: Mitte Dreißig mußte er inzwischen sein - und war noch immer ledig?
- und würde es auch bleiben?
Sie hatte schon häufiger darüber nachgedacht, weshalb ihre Brüder bisher ledig geblieben waren. Eine wirklich überzeugende Antwort hatte sich jedoch nie finden lassen. Als dann Jack und Hughie kamen, beide gleichsam Duplikate von Bob, nur daß ihnen seine Autorität fehlte, und sie mit scheuem Lächeln willkommen hießen, da glaubte sie, besser zu begreifen denn je: Es war das Land, das diese Männer so prägte. Das Land verlangte keine Beredsamkeit, keine gesellschaftlichen Umgangsformen. Ihm genügten die wortlose Liebe, die nie artikulierte Treue. Und so flüchteten sich diese Männer, statt Gefühle äußerlich zu bekunden, in ihr scheues Lächeln. Das Land, so schien es Meggie, verlangte von ihnen gleichzeitig weniger und mehr, als eine Frau je von ihnen verlangen würde. An diesem Abend waren die Cleary-Männer alle zu Hause, um einen Lastwagen voll Getreide abzuladen, den Jims und Patsy von der AML&F in Gilly geholt hatten.
»So trocken hab’ ich’s noch nie erlebt, Meggie«, sagte Bob. »Seit zwei Jahren kein Regen, nicht ein Tropfen. Und die Kaninchen sind eine größere Plage als die Känguruhs. Sie fressen mehr Gras als Schafe und Känguruhs zusammen. Wir werden’s mit Füttern versuchen, aber du weißt ja, wie Schafe sind.«
Ja, Meggie wußte sehr gut, wie Schafe waren: so furchtbar dumm, daß sie nicht einmal die primitivsten Grundregeln des Überlebens kapierten. Ob die Urahnen dieser Tiere wenigstens ein bißchen Gehirn besessen hatten? Nun, wie immer dem sein mochte: aus diesen Woll-Aristokraten war es jedenfalls total herausgezüchtet worden. Schafe fraßen nichts weiter außer Gras und Scrub, also Buschwerk. Dieses Futter nahmen sie auch an, wenn es gemäht oder abgeschnitten worden war. Aber, Himmelherrgott, woher sollten all die Arbeitskräfte kommen, die das für über einhunderttausend Schafe besorgten?
»Dann könnt ihr mich sicher gebrauchen, wie?« fragte sie. »Und ob wir dich gebrauchen können! Wenn du so wie früher wieder auf den Innenkoppeln reitest, wird ein Mann fürs Scrub- Schneiden frei.«
Was Jims und Patsy betraf, so waren sie, ihrem Wort getreu, keinen Tag länger auf dem Riverview-College geblieben, als sie unbedingt mußten, und hatten sich mit vierzehn Jahren, so schnell es irgend ging, auf die Rückreise nach Drogheda gemacht. Inzwischen waren sie so etwas wie die jüngeren Ausgaben von Bob, Jack und Hughie. Sie trugen jene Tracht - wenn man es denn so nennen wollte -, die in immer stärkerem Maße im Großen Nordwesten das altmodische Grau von Twill und Flanell abzulösen begann: weiße Moleskin-Reithosen, weißes Hemd, Hut aus grauem Filz, Kopfteil flach geformt, Krempe ziemlich breit, und knöchelhohe Zugstiefel. Nur eine Handvoll Halbblut-Aborigines in Gilly trugen sich wie die Cowboys des amerikanischen Westens: Phantasiestiefel mit hohen Absätzen und gewaltig ausladende Hüte. Für die Männer der Schwarzerdebenen war dergleichen völlig sinnlose und absolut zweckwidrige Angeberei, Teil einer anderen Kultur. Mit solchen hochhackigen Stiefeln konnte man nicht durch den Scrub gehen, und das mußte man oft genug. Und was die
Riesenhüte, die sogenannten Stetsons, betraf: viel zu schwer und viel zu heiß. Die braune Stute und der schwarze Wallach waren inzwischen tot, und der Stall stand leer. Meggie versicherte zwar, sie würde mit einem normalen Treiberpferd zufrieden sein, doch Bob fuhr hinüber zu Martin King und kaufte für sie zwei von dessen Reitpferden, Halbblüter: eine cremefarbene Stute mit schwarzer Mähne und schwarzem Schwanz und einen sehr hochbeinigen, braunen Wallach. Bei Meggie zeigte sich eine sonderbare Reaktion. Die Tatsache, daß die braune Stute, Ralphs einstiges Reitpferd, nicht mehr da war, schien sie härter zu treffen als der eigentliche Abschied von Ralph auf Matlock: eine gleichsam verzögerte Reaktion - es war, als wäre die Trennung von ihm erst jetzt ganz vollzogen. Doch es tat gut, wieder auf den Paddocks zu sein, zu reiten, die Hundemeute in der Nähe, den hochwirbelnden Staub der
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