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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel
Autoren: Colleen McCoullough
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hatte. Jetzt nahm der Junge die Wanne vom Wandhaken herab, die sonst immer beim Geschirrspülen gebraucht wurde. Er goß Wasser hinein, zur Hälfte heißes, zur Hälfte kaltes. Hernach ging er zum Schuppen und holte von dort einen noch ungeöffneten Kanister voll Petroleum. Dann nahm er von der Schmierseife, die sonst zum Wäschewaschen gebraucht wurde, und machte sich an die Arbeit. Als erster kam Bob an die Reihe. Einer nach dem anderen mußten die Jungen die Radikalprozedur über sich ergehen lassen. Zunächst wurde der Kopf kurz ins Wasser getaucht, sodann goß Frank mehrere Tassen voll Petroleum darüber, und zum Schluß gab’s noch ein gehöriges Quantum Schmierseife. Jetzt ging es natürlich erst richtig los, bis die Häupter nur so schäumten, und da das Petroleum und die Schmierseife ganz verteufelt brannten, schrie das jeweilige Opfer wie am Spieß und rieb sich die Augen und kratzte sich die Kopfhaut, und im Chor schworen die Geschundenen allen Ithakern furchtbare Rache. Fee ging zu ihrem Nähkorb und nahm die große Schere heraus. Dann trat sie zu Meggie, die sich nicht von ihrem Stuhl gewagt hatte, obwohl inzwischen über eine Stunde vergangen war. Die Schere in der Hand, starrte Fee einen Augenblick bewegungslos auf das wunderschöne Haar. Dann begann sie zu schneiden. Eine Locke nach der anderen fiel, in glänzenden Büscheln häufte sich das Haar auf dem Fußboden, und durch die stehengebliebenen, unregelmäßigen Stoppeln auf Meggies Kopf schimmerte jetzt hier und dort weißlich die Haut.
    Fee stand unschlüssig, blickte dann zu Frank.
    »Sollte ich den Rest nicht besser wegrasieren?« fragte sie, und ihre Lippen wirkten eigentümlich schmal.
    Frank streckte wie protestierend die Hand aus. »Oh, nein, Mum! Wirklich nicht! Ordentlich Petroleum drauf, das müßte genügen. Bitte, nicht kahlrasieren!«
    Und so war am Ende die Reihe an Meggie. Auch ihr Kopf wurde ins Wasser getaucht, und dann kamen Petroleum und Schmierseife drauf, und das Waschen und Schrubben ging los.
    Als die Prozedur schließlich beendet war, fühlte Meggie sich wie blind, weil sie wegen der ätzenden Lauge kaum noch die Augen aufbekam. Auf ihrer Kopfhaut und auf ihrem Gesicht hatten sich zahllose kleine Bläschen gebildet.
    Frank fegte die abgeschnittenen Locken auf ein Stück Papier und warf alles ins Herdfeuer. Anschließend tunkte er den Besen mit den Borsten sorgfältig in Petroleum. Jetzt wuschen er und Fee sich die Haare und atmeten unwillkürlich hastiger, als auch bei ihnen das Zeug ätzte und brannte und biß. Dann nahm Frank einen Eimer und begann, den Küchenfußboden zu schrubben - nicht einfach mit Wasser: ein Desinfektionsmittel für Schafe erwies sich jetzt als recht nützlich. Aber damit war die Sache immer noch nicht erledigt. Als die Küche es in puncto Sterilität mit fast jedem Krankenhaus aufnehmen konnte, ging es in die Schlafzimmer. Dort wurden die Betten abgezogen, und dann sammelte man die Bettwäsche zusammen. Sie wurde gekocht, sie wurde gewaschen, sie wurde ausgewrungen; hing schließlich draußen auf der Leine. Die Matratzen und Kissen legte man über den hinteren Zaun, um sie mit Petroleum zu besprühen ... und so weiter und so fort.
    Alle Jungen halfen mit. Die einzige, die nicht mithalf, die nicht mithelfen durfte, war Meggie ... denn sie war gleichsam in Schanden. Und so verkroch sie sich. Verkroch sich ganz buchstäblich hinter dem Schuppen und heulte und heulte. Sie weinte, weil es auf dem Kopf und auf dem Gesicht überall so weh tat, und sie weinte, weil sie sich schämte. Als Frank, der schon eine Weile nach ihr gesucht hatte, sie schließlich fand, weigerte sie sich vor lauter Scham, ihn anzusehen, und am Ende mußte er sie gegen all ihr Sträuben mit Gewalt ins Haus schleppen.
    Am späten Nachmittag kehrte Paddy zurück. Er warf nur einen Blick auf das gestutzte Haar seiner Tochter und brach in Tränen aus. Und dann saß er auf seinem Windsor-Stuhl und wippte vor und zurück und vor und zurück, das Gesicht in den Händen verborgen, während die Familie rings um ihn versammelt war und die meisten unruhig mit den Füßen scharrten und sich weit weg wünschten. Fee machte eine Kanne Tee, und als Paddy allmählich zu sich kam, schenkte sie ihm eine Tasse voll.
    »Was ist in Wahine passiert?« fragte sie. »Du warst ja so furchtbar lange fort.«
    »Na, ich bin mit der Reitpeitsche zu dem verdammten Ithaker und habe ihn in den Pferdetrog geschmissen, das war das erste. Dann sah ich MacLeod auf der
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