Die Dornenvögel
an Meggie, an Stuart aus.
Fiel der Geburtstag eines der kleinen Clearys auf einen Schultag, so wurde er immer erst am Wochenende gefeiert, am Samstag: so jetzt auch bei Meggie. Und zu ihrer grenzenlosen Überraschung erhielt sie als Geschenk das so heißersehnte TeeService.
Doch da war noch mehr. Das Service fand sich auf einem wundervollen Puppentisch, den Frank in seiner - eigentlich nicht existenten - Freizeit gebastelt hatte und der ultramarinblau war, genau wie die beiden winzigen Stühle, die dazugehörten. Auf einem saß Agnes und trug ein neues blaues Kleid, das Fee in ihrer - eigentlich nicht existenten - Freizeit genäht hatte.
Doch bedrückt starrte Meggie auf das Blau und Weiß, das man überall auf dem Tee-Service sah, und traurig betrachtete sie die Ornamente auf dem Porzellan. Da war auch eine kleine Pagode, da war dieses sonderbar stumme Vogelpaar, da waren die winzigen Gestalten, die gleichsam auf immerdar über eine gewölbte Brücke huschten. Aber für Meggie besaß das alles keinen Zauber mehr. Undeutlich begriff sie jedoch, weshalb die Familie alles darangesetzt hatte, ihr zu erfüllen, was man für ihren Herzenswunsch hielt. Und so stand sie tapfer das Ritual durch, das zu einer angemessenen Freudenbekundung gehörte. In dem winzigen Teekännchen servierte sie für ihre Agnes den Tee und zeigte sich überhaupt und in allem zutiefst beglückt. Und jahrelang benutzte sie es, dieses Service, zerbrach nicht ein einziges Stück und hielt mit eisernem Willen durch.
Niemand ließ sich je träumen, daß sie in Wirklichkeit alles verabscheute: das Service, den blauen Tisch mit den blauen Stühlen und Agnes’ blaues Kleid.
Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest in diesem Jahr - 1917 - brachte Paddy seine allwöchentliche Zeitung und einen neuen Stapel Bibliotheksbücher mit nach Hause. Ausnahmsweise kam diesmal die Zeitung vor den Büchern an die Reihe, nicht ohne Grund. Die Redakteure hatten, amerikanischen Vorbildern nacheifernd - mitunter fand eine amerikanische Luxusillustrierte den Weg nach Neuseeland -, den gesamten inneren Teil des Blattes einem einzigen Thema gewidmet: dem Krieg. Verwischte Fotos zeigten die sogenannten Anzacs - australische und neuseeländische Soldaten - in den gnadenlosen Kämpfen bei Gallipoli, und ausführliche Artikel befaßten sich mit dem Mut und dem Heldentum eben dieser Soldaten. Sämtliche Australier und Neuseeländer wurden aufgezählt, denen je das Viktoriakreuz verliehen worden war, und ein prachtvoller, ganzseitiger Stahlstich stellte einen australischen Kavalleristen dar: aufgesessen auf sein edles Roß, in der rechten Hand den blanken Säbel und am Slouch-Hat - der schlapphutartigen Kopfbedeckung die langen, seidigen Federn.
Bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bot, nahm Frank das Blatt, las - nein: fraß - die Artikel und saugte jedes Wort der chauvinistischen Prosa in sich ein. Seine Augen glänzten irrlichterhaft. »Daddy, ich möchte Soldat werden!« sagte er, als er das Blatt wieder pflichtgemäß auf den Tisch legte.
Fee, am Herd stehend, ruckte ihren Kopf so hastig herum, daß sie einen Teil vom Essen auf der heißen Platte verkleckerte. Paddy auf seinem Windsor-Stuhl schien plötzlich erstarrt zu sein. Das Buch, in dem er gerade gelesen hatte, war jedenfalls vergessen. »Du bist noch zu jung, Frank«, sagte er.
»Nein, bin ich nicht! Ich bin siebzehn, Daddy, ich bin ein Mann! Soll ich hier, weitab vom Schuß, in Sicherheit sitzen, während die Hunnen und die Türken unsere Leute abschlachten wie Schweine? Es ist allerhöchste Zeit, daß ein Cleary seine Pflicht tut.« »Du bist noch nicht alt genug, Frank. Man würde dich gar nicht nehmen.«
»Die nehmen mich schon, wenn du nichts dagegen hast«, erklärte Frank prompt, die dunklen Augen starr auf Paddys Gesicht. »Aber ich habe etwas dagegen. Im Augenblick bist du der einzige, der arbeitet, und du weißt, wir brauchen das Geld, das du verdienst.« »In der Army werde ich doch auch bezahlt!«
Paddy lachte. »Mit dem Sold reicht keiner weit, das weiß man doch. Ein Schmied in Wahine verdient einen ganzen Haufen mehr als ein Anzac in Europa.«
»Aber wenn ich dort bin, bekomme ich vielleicht die Chance, etwas Besseres zu werden als nur ein Schmied! Es ist für mich die einzige Hoffnung, Daddy.«
»Unsinn! Guter Gott, Junge, du weißt nicht, was du da sagst. Krieg ist furchtbar. Ich stamme aus einem Land, in dem seit tausend Jahren Krieg herrscht, ich weiß also, wovon ich rede. Hast du die Männer
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