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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Hüllen oder Häutchen möglichst intakt zu lassen.« Ihr belustigtes Lachen klang wie ein halb unterdrücktes Gurgeln, und mehrere Männerköpfe drehten sich neugierig zu ihr herum. »Tatsächlich, Arthur? Oder ist das vielleicht eine Frage so ganz von hintenherum - ob ich noch Jungfrau bin?«
    Er schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. »Justine! Wie ich sehe, muß ich Sie unter anderem in der sehr beherzigenswerten Kunst der - nun, nennen wir es einmal: der indirekten Rede unterweisen.« »Unter anderem? Worin denn noch, Arthur?« Sie lehnte die Ellbogen auf den Tisch. Im trüben Licht erschien in ihren Augen ein eigentümliches Schimmern.
    »Nun, was meinen Sie denn, worin Sie noch Unterweisung brauchen?«
    »Um meine Allgemeinbildung ist es gar nicht so schlecht bestellt.« »Wirklich Allgemeinbildung«
    »Himmel, Sie verstehend aber sehr gut, Wörter zu betonen. Sehr gut. Das muß ich mir merken, wie Sie das gesagt haben.« »Es gibt Dinge, die man nur durch Erfahrung aus erster Hand lernen kann«, sagte er leise und streckte die Hand aus, um eine Locke hinter ihr Ohr zu streichen.
    »Wirklich? Bisher habe ich gefunden, daß Beobachtung durchaus genügt.«
    »Und wie steht es damit, wenn es um Liebe geht?« Durch feinste Artikulation verstand er es, dem Wort Zartheit und Tiefe zu geben. »Wie können Sie die Julia spielen, ohne zu wissen, was Liebe ist?« »Ein gutes Argument. Da gebe ich Ihnen recht.« »Sind Sie je verliebt gewesen?« »Nein.«
    »Wissen Sie irgend etwas über die Liebe?« Diesmal legt er den Ton mehr auf »irgend etwas« als auf »Liebe«. »Nein, gar nichts.«
    »Ah! Dann hätte Freud wohl doch recht gehabt?« Wieder nahm sie das Päckchen in die Hand und blickte auf den unteren Teil der Zellophanhülle, lächelnd. »In mancher Beziehung, vielleicht.«
    Rasch griff er nach der Zellophanhülle, streifte sie vom Päckchen ab, hielt sie einen Augenblick in der Hand, dann zerknüllte er sie mit dramatischer Geste und warf sie in den Aschenbecher, wo sie sich mit einem eigentümlichen, sehr leisen Geräusch gleichsam zu winden und zu dehnen begann.
    »Ich möchte dir gerne zeigen, wie es ist, eine Frau zu sein ... ganz Frau ... wenn ich darf.«
    Einen Augenblick blieb sie stumm und betrachtete die knisternde Zellophanhülle im Aschenbecher, die noch immer nicht zur Ruhe gekommen war. Dann riß sie ein Streichholz an, hielt die kleine Flamme an das Zellophan. »Warum nicht?« fragte sie, und ihre Frage schien sich an das Feuer zu richten. »Ja, warum eigentlich nicht?«
    »Oh, daß bei Mondschein und Rosenduft ein leidenschaftlich’ Sehnen unser Herz umgreift«, deklamierte er und legte in pathetischer Geste die rechte Hand auf die linke Brustseite, »eh’ dann das jähe Zucken eines Pfeils, Erfüllung bringend, uns durchsticht.« Sie lachte. »Also wirklich, Arthur! Gegen den zweiten Teil habe ich ja gar nichts und hoffe nur, daß das mit dem jähen Zucken nicht gar so kurz ist. Aber auf Mondenschein und Rosen kann ich gern verzichten, und für ein weitschweifiges Präludium mit leidenschaftlich’ Sehnem bin ich auch nicht gebaut.«
    Er betrachtete sie traurig, schüttelte den Kopf. »Oh, Justine! Für Leidenschaft, für Umwerben und Umworben-Werden ist jeder gebaut, um deine Ausdrucksweise zu gebrauchen. Auch du, du kaltblütige, junge Vestalin, bist dafür gebaut. Warte nur ab. Eines Tages wirst du’s erleben.«
    »Pah!« Sie stand auf. »Komm, Arthur, bringen wir’s hinter uns, bevor ich’s mir anders überlege.« »Jetzt? Heute abend?«
    »Ja, grundgütiger Himmel, weshalb denn nicht? Falls du knapp bei Kasse bist, ich habe genügend Geld für ein Hotelzimmer.« Das Hotel Metropole lag nicht weit entfernt. Arm in Arm schlenderten sie durch die Straßen, die um diese Zeit eher menschenleer wirkten. Hier und dort sah man ein paar junge Mädchen, die einen Schaufensterbummel machten, dabei jedoch verstohlen nach amerikanischen Seeleuten äugten. Niemand achtete auf Arthur und Justine, worüber er sehr froh
    war.
    Während sie draußen wartete, ging er rasch in eine Drogerie und kam dann mit zufriedenem Lächeln zurück. »Jetzt sind wir für alles gerüstet, mein Liebling.« »Was hast du denn gekauft? Präservative?«
    Er schnitt eine Grimasse. »Guter Gott, nein. Mit einem Präservativ, da bleibt einem soviel Gefühl wie - wie wenn man sich in ein paar Seiten vom >Reader’s Digest< einwickeln würde. Nein, ich habe da so eine Creme für dich gekauft. Woher weißt du überhaupt etwas von

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