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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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zerplatzen zu müssen. Er schlang seine Arme noch fester um sie und flüsterte unverständliche Koseworte.
    Und plötzlich kippte sie den Kopf zurück und öffnete den Mund, und ein grauenvoller Schrei zerriß die Luft: ein schier berstendes Gelächter.
    Der Lachanfall war von so ungeheurer Intensität, daß es sie am ganzen Körper schüttelte. Und je wütender - und hilflosschlaffer - Arthur wurde, desto mehr heizte das ihre Lachlust an. Immer wieder deutete sie zum Fußende des Bettes und wand sich in Zuckungen, nur daß es nicht Zuckungen von jener Art waren, wie Arthur sich das eigentlich vorgestellt hatte.
    Von klein auf waren die Geschwister einander in vielem näher gewesen als ihrer Mutter, was kaum verwundern konnte, hatte Meggie doch allzulange auf den Koppeln ihren Mann stehen müssen, statt sich um ihre Kinder kümmern zu können.
    Wenn Justine und Dane sich in ihrem Wesen auch stark voneinander unterschieden, so war es doch charakterliche Verschiedenheit von jener Art, die um so mehr der Ergänzung durch den anderen bedarf. Justine neigte von Natur aus dazu, jeden noch so winzigen Splitter im Auge eines anderen sehr deutlich zu sehen, den Balken im eigenen Auge hingegen völlig zu ignorieren. Bei Dane verhielt es sich genau umgekehrt. Für menschliche Fehler bei anderen brachte er Verständnis auf, bei sich selbst hingegen kannte er keine Gnade. Justine hielt sich für unbezwinglich stark, Dane seinerseits meinte, im Grunde sei er geradezu gefährlich schwach.
    Das Vertrauensverhältnis zwischen beiden war so eng, daß es sich enger kaum denken ließ. Allerdings erzählte in der Regel Justine viel mehr über sich und ihre Gefühle, was ganz einfach daran lag, daß sie die Redseligere war. Dane hatte sich daran gewöhnt - und gewöhnen müssen -, daß seine Schwester anfangs immer die gesamte Unterhaltung bestritt und später dann stets den weitaus größten Teil. Er akzeptierte seine Rolle als häufig genug passiver Zuhörer und begriff auch mehr oder minder, daß Justine in ihrer recht amoralischen Art - nichts schien ihr heilig zu sein, Tabus wollte sie nicht gelten lassen - ihn und seine Skrupel an Stelle der fehlenden eigenen sehr dringend brauchte. Wenn er ihr zuhörte, dann stets mit einem tiefen Gefühl der Zärtlichkeit und Anteilnahme, von dem er sich wohlweislich nichts anmerken ließ, denn es hätte Justine zweifellos in Rage gebracht.
    »Rate mal, was ich letzte Nacht gemacht habe?« fragte sie ihn und rückte ihren großen Strohhut sehr sorgfältig so zurecht, daß Gesicht und Hals vor der Sonne geschützt waren. »Hast deine erste Hauptrolle gespielt«, sagte Dane. »Dummkopf! Als ob ich dir da nicht vorher Bescheid gegeben hätte, damit du mich auch sehen kannst. Rate weiter.« »Na, bist du vielleicht in eine Prügelei zwischen Bobbie und Billie geraten?«
    »Bäääh! Das hat ja nun allmählich soo einen Bart.« Er zuckte die Achseln. »Keinen blassen Dunst.« Sie saßen auf dem Gras bei der Saint Mary’s Cathedral. Dane hatte Justine angerufen: Er wolle wegen einer besonderen Zeremonie in die Kathedrale, ob sie sich zuvor mit ihm in der Nähe treffen könne? Natürlich konnte sie. Schließlich brannte sie ja darauf, ihm das Allerneueste zu erzählen.
    Dane befand sich im Abschlußjahr auf dem Riverview College, und er hatte praktisch alle Würden auf sich vereinigt, die ein Schüler dort auf sich vereinigen konnte. Er war Kapitän sämtlicher College-Mannschaften, ganz gleich, ob für Kricket, für Rugby, für Handball oder für Tennis. Außerdem war er Klassenprimus. Jetzt, mit siebzehn, maß er einsachtundachtzig, hatte den Stimmbruch hinter sich und war erstaunlicherweise von Dingen wie pubertären Pickeln oder einem hüpfenden Adamsapfel völlig verschont geblieben. Zwar rasierte er sich noch nicht - brauchte es noch nicht, weil er blond war -, doch ansonsten glich er eher einem jungen Mann als etwa einem Schuljungen. Das einzige, was ihn als solchen klassifizierte, war die »Riverview-Uniform«, die ihn als Schüler des College auswies. Es war ein warmer, sonniger Tag. Dane nahm seine »Kreissäge« vom Kopf - Teil der Schuluniform - und streckte sich im Gras aus. Justine kauerte neben ihm, die Arme um die Knie geschlungen, um auch ja sicherzugehen, daß möglichst kein Fleckchen ihrer Haut der Sonne ausgesetzt war. Faul öffnete Dane eines seiner blauen Augen und blickte zu seiner Schwester.
    »Also was war letzte Nacht, Jus?«
    »Ich habe meine Jungfräulichkeit verloren.

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