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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Zeit zu sein«, sagte sie. »Für einen Minister arbeitest du, scheint’s herzlich wenig. Die Zeitungen nennen dich jedenfalls alle einen Playboy, der’s mit karottenköpfigen Schauspielerinnen treibt.«
    Er drohte ihr mit seiner großen Faust. »Für die wenigen Vergnügungen, die ich habe, muß ich auf viele Weisen bezahlen, von denen du nie etwas wissen wirst.«
    »Ist es dir recht, wenn wir zu Fuß gehen, Rain?« »Warum nicht? - solange du deine Schuhe anbehältst.« »Muß ich jetzt, wohl oder übel. Miniröcke haben auch ihre Nachteile. Man kann sich nicht mehr so einfach die Strümpfe ausziehen. Jetzt gibt es Strumpfhosen, und wenn man in der Öffentlichkeit aus denen schlüpfen wollte, so gäbe das den größten Aufruhr seit den Tagen der Lady Godiva - jener Dame, die, wie vielleicht erinnerlich, nur mit ihrer Frisur bekleidet vor Zeiten durch die Straßen der Stadt Coventry ritt. Falls ich also diese verflixte Strumpfhose, die mich fünf Pfund gekostet hat, nicht total ruinieren will, bleibe ich in meine noch verflixteren Schuhe eingezwängt.«
    »Immerhin hilfst du mir mit meinen Kenntnissen über weibliche Bekleidung auf die Sprünge, und zwar sowohl was das Darüber, als auch was das Darunter betrifft.«
    »Na, hör mir bloß auf! Ich wette, du hast ein Dutzend Geliebte, die du sämtlich ausziehst.«
    »Nur eine, und die erwartet mich, wie alle guten Geliebten, im Neglige.«
    »Da fällt mir ein: Über dein Liebesleben haben wir noch nie gesprochen. Faszinierendes Thema! Wie ist sie denn?« »Fett, vierzig, faul, gefräßig.«
    Sie blieb abrupt stehen. »Nun hör aber auf«, sagte sie. »Du willst mich nur durch den Kakao ziehen. Du glaubst doch nicht, daß ich dir das abnehme.« »Warum denn nicht?«
    »Ich meine, wenn sie auch nur annähernd wäre, wie du sie beschreibst - nein, dazu hast du zuviel Geschmack.« »Chacun a son goüt, heißt es, liebe Justine. Ich selbst bin ja nicht gerade eine Schönheit - wie sollte ich also annehmen, daß es mir gelingen könnte, eine junge, schöne Frau als Geliebte zu gewinnen?« »Na, weil du das jederzeit haben könntest!« sagte sie geradezu empört. »Das ist doch wohl klar!«
    »Ich? Mein Geld meinst du natürlich.«
    »Nein, ich meine nicht dein Geld! Du ziehst mich auf, wie immer! Rainer Moerling-Hartheim, du weißt verdammt genau, wie attraktiv du bist. Sonst würdest du garantiert nicht solche Netzhemden und goldene Medaillons tragen. Weißt du, Aussehen im richtig verstandenen Sinn, das ist nicht nur einfach was Äußerliches.« »Sieh einer an«, sagte er. »Jedenfalls finde ich es schön, daß du doch soviel Anteil an mir nimmst.«
    »Manchmal könnte ich dich umbringen.« Sie atmete tief, wurde allmählich ruhiger. »Was hast du eben im Ernst gemeint und was nicht?«
    »Vielleicht ist mir das selbst nicht ganz klar.«
    »Fängst du schon wieder an? Du weißt ganz genau, wie attraktiv du wirkst.«
    »Ob ich attraktiv wirke oder nicht, ist nicht weiter wichtig. Entscheidend ist, ob ich auf dich attraktiv wirke.«
    Bevor sie auch nur ein Wort über die Lippen bringen konnte, hielt er sie in den Armen und küßte sie. Und plötzlich stand sie taumelnd in einem Sturm, der mit unvorstellbarer Gewalt über sie hereingebrochen war: gleichsam schwankend unter Erdbebenstößen, die in ihr aufrissen, was längst schon auf alle Zeit verschüttet schien. Sein Mund, dann das unglaublich dichte Haar, in das sie ihre Finger tauchen konnte, und ...
    Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und sah sie an, lächelnd. »Ich liebe dich«, sagte er.
    Sie schlang ihre Finger um seine Handgelenke, doch nicht sacht und zart wie vorhin bei Dane. Tief gruben sich die Nägel in sein Fleisch. Dann trat sie zwei Schritte zurück und starrte ihn aus großen Augen angstvoll an.
    »Nein«, sagte sie heftig atmend, »nein. Das würde nicht gutgehen, bestimmt nicht, Rain.«
    Hastig streifte sie sich die Schuhe von den Füßen, hielt sie in der Hand. Und dann lief sie wie gehetzt davon, als fürchtete sie, er werde vielleicht versuchen, sie zurückzuhalten.
    Er tat es nicht. Wie grübelnd stand er, betrachtete einen Augenblick die schmerzenden Handgelenke. Schließlich steckte er sich eine Zigarette an und ging langsam weiter. Sein Gesicht wirkte beherrscht, von seinen Gedanken, seinen Gefühlen war ihm nichts anzumerken.
    Wie kam es nur, daß er sich in ihrer Reaktion verschätzt hatte? Denn deutlich, sehr deutlich hatte er zu fühlen geglaubt, jetzt nach so langen Jahren sei

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