Die Dornenvögel
weiszumachen, daß sich beide im Bett nie anblickten, geschweige denn, daß sie einander berührten ... Und jetzt ...
Ein eigentümliches Geräusch ließ ihn aufschrecken, eine Art
Quietschen und Knacken. Er sah, daß seine Hände um die Messingstange am Bett gekrampft waren, sah zwischen seinen Fingern das verbogene Metall.
»Ihn hätte ich jetzt hier haben sollen«, sagte er. »Ja, ihn!« »Frank«, erklang eine Stimme von der Türöffnung her. Er hob den Kopf, sah seine Mutter. In seinen schwarzen Augen, die feucht waren - feucht wie Kohle im Regen -, stand ein harter Glanz. »Irgendwann werde ich ihn umbringen«, sagte er. »Wenn du ihn umbringst, bringst du mich um«, erwiderte sie und setzte sich zu ihm aufs Bett.
»Nein, das würde ich nicht«, sagte er und rief dann wie in wilder Hoffnung: »Ich würde dich dadurch frei machen!« »Frank«, erklärte sie und schien sich mit Mühe zur Geduld zu zwingen, »ich kann niemals frei sein, und ich will auch niemals frei sein. Ich wünschte, ich wüßte, woher deine Blindheit rührt. Ich begreife das einfach nicht. Deine - deine Haltung ... das kannst du weder von mir haben noch von deinem Vater. Ich weiß, daß du nicht glücklich bist, aber mußt du das an mir auslassen und an Daddy? Warum versteifst du dich nur so darauf, dir selbst und anderen das Leben so schwer zu machen? Warum?« Sie blickte auf ihre Hände und hob dann wieder den Kopf und sah ihn an. »Was ich jetzt sage, sage ich nicht gern, aber ich glaube, ich muß es sagen. Es wird Zeit, daß du dir ein Mädchen suchst, Frank. Und daß du heiratest und eine eigene Familie gründest. Auf Drogheda ist genügend Platz. Bei den anderen Jungen habe ich mir in dieser Hinsicht nie Sorgen gemacht, sie scheinen da von ganz anderer Art als du. Du, Frank, brauchst jedenfalls eine Frau. Wenn du verheiratet wärst, hättest du keine Zeit mehr, so ... so viel an mich zu denken.« Er saß mit abgewandtem Gesicht, und so blieb er auch sitzen. Sie wartete. Ruhig wartete sie darauf, daß er sprach. Doch er schwieg. Nach etwa fünf Minuten erhob sie sich und ging hinaus.
5
Nach beendeter Schafschur, wenn der ganze Distrikt in halbe Untätigkeit fiel angesichts des hereingebrochenen Winters, war in Gillanbone ein Ereignis fällig, das für die Leute hier alljährlich den Höhepunkt des Gemeinschaftslebens bildete. Es nannte sich: Gillanbone Show and Picnic Races und dauerte zwei Tage. Da sich Fee den damit verknüpften Anstrengungen nicht gewachsen fühlte, mußte Paddy seine Schwester zur Stadt chauffieren, ohne daß ihm die Anwesenheit seiner Frau geholfen hätte, Marys Zunge in Schach zu halten. Denn eben dies war ihm längst aufgefallen: Aus irgendeinem rätselhaften Grund genügte Fees Gegenwart, um seiner Schwester gleichsam das Wasser abzugraben, sie irgendwie in Verlegenheit zu setzen.
Außer Fee fuhren alle. Die Jungen schwangen sich zu Beerbarrel Pete und Jim und Tom und Mrs. Smith und den Dienstmädchen auf den Laster. Zu diesem Zeitpunkt war Frank bereits eine Weile unterwegs. Er hatte sich, allein, in aller Frühe mit dem Modell-T-Ford aufgemacht. Die Erwachsenen wollten bis zum zweiten Tag in Gilly bleiben, weil dann die eigentlichen Rennen an der Reihe waren.
Aus Gründen, die wohl nur sie selber kannte, lehnte Mary Carson Pater Ralphs Angebot ab, sich im Pfarrhaus einzuquartieren. Statt dessen drängte sie Paddy, das für sich und für Frank zu akzeptieren. Mrs. Smith sowie Minnie und Cat hatten in der Stadt Bekannte, wo sie übernachten konnten. Die beiden Viehtreiber und Tom, der Gartenarbeiter, hatten versichert, sie würden schon eine Bleibe finden - wo genau, war ihr Geheimnis.
Paddy brachte seine Schwester auf das beste Zimmer, welches das Hotel Imperial zu bieten hatte. Inzwischen war es zehn Uhr früh. Er ging hinab in die Bar. An der Theke sah er Frank stehen, einen mächtigen Humpen mit Bier in der Hand.
»Den nächsten spendiere ich dir, Alter«, sagte Paddy freundschaftlich zu seinem Sohn. »Ich muß mit Tante Mary zum Picnic-Races-Luncheon, und wenn ich das ohne Mums Hilfe durchstehen soll, muß ich mir schon ein bißchen Mut antrinken.« Die Macht der Gewohnheit, bestimmte tiefverwurzelte Ängste und manches mehr - es wirkt in uns viel stärker, als wir gemeinhin glauben. Will man eine seit Jahren eingefleischte Verhaltensweise plötzlich ändern, so findet man, daß es da Sperren gibt, Barrieren - daß man einfach nicht tun kann, was man doch tun will.
Genauso erging es
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