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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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jetzt Frank. Er wollte seinem Vater den Inhalt des Humpen ins Gesicht schütten, aber er konnte es einfach nicht. Zumindest nicht vor den Gästen hier in der Bar. Und so leerte er seinen Krug, kippte alles in sich hinein und sagte dann mit einem schiefen Lächeln: »Tut mir leid, Dad, aber ich habe mich mit ein paar Jungs auf dem Showground verabredet.« »Na gut, dann geh. Aber hier, steck dir das ein und gib’s für dich selber aus. Amüsiere dich gut, und wenn du einen über den Durst trinkst, dann sieh zu, daß deine Mutter nichts davon erfährt.« Frank starrte auf die knisternde blaue Fünfpfundnote in seiner Hand. Am liebsten hätte er sie zerfetzt und Paddy ins Gesicht geschleudert, doch wieder behielt die Macht der Gewohnheit die Oberhand. Er faltete den Geldschein zusammen, steckte ihn ein und bedankte sich bei seinem Vater. Dann verließ er so schnell wie möglich die Bar.
    Paddy, noch an der Theke, blickte sich neugierig im Raum um. Er hatte einen blauen Anzug an, seinen besten. Die Weste war sorgfältig zugeknöpft. Auch die goldene Uhr samt goldener Uhrkette - sowie einem »Nugget« von den LawrenceGoldfeldern, das als eine Art »Beschwerer« diente - fehlte nicht. Ein wenig nervös an seinem Zelluloidkragen zerrend, suchte Paddy nach einem bekannten Gesicht. In dem Dreivierteljahr seit seiner Ankunft auf Drogheda war er nur selten in Gilly gewesen, doch man hatte ihn stets freundlich und gastlich behandelt, was Wunder: Schließlich wußte man, daß er Mary Carsons Bruder und möglicher Erbe war. Also erinnerte man sich an ihn, auch jetzt - mehrere Männer grinsten ihm freundschaftlich zu, und bald saß er in gemütlicher kleiner Runde. Frank war vergessen.
    Anders als früher, trug Meggie ihr Haar jetzt in Flechten. Auch für die Nichte der reichen Mary Carson mochte keine der Nonnen die Mühe auf sich nehmen, sich allabendlich und allmorgendlich mit den vielen Locken zu placken. Und so hingen Meggie zwei dicke Zöpfe mit marineblauen Schleifen über die Schulter herab. Marineblau war auch die Einheitstracht der Klosterschüler, und in dieser Tracht steckte sie jetzt, als sie aus dem Kloster über die Rasenfläche zum Pfarrhaus geleitet und dort Annie, Pater Ralphs Haushälterin, zu getreuen Händen übergeben wurde.
    In ihr hatte Meggie eine schier rückhaltlose Bewunderin. »Och, des sieße Kleinchen hat doch so wunnerscheenes Hoor«, hatte sie einmal erwidert, als der Priester, amüsiert, von ihr wissen wollte, weshalb sie an Meggie denn einen solchen Narren gefressen habe. Sonst konnte sie kleine Mädchen nämlich nicht ausstehen, und die Nähe der Schule war ihr ein Greuel.
    »Aber, Annie«, tadelte er, um sie zu provozieren, »Haar und Haarfarbe, das sind doch Äußerlichkeiten. So etwas kann doch nicht der Grund dafür sein, daß man jemanden gern hat.« »Och, nu, sie is doch so’n ormes, littes Ding - skeggy, wissen Sie.« Er wußte es nicht und unterließ es auch, sie zu fragen, was »skeggy« bedeutete. Schottisch war ohnehin schon oft genug ein Buch mit sieben Siegeln, nicht nur für ihn. »Skeggy« reimte sich mit »Meggie«, das war alles, was er im Augenblick wußte. Halt, nicht ganz: »Ormes, littes Ding« hatte Annie das Mädchen genannt - weshalb? Meinte sie Meggies Vergangenheit? Meinte sie ihre - Zukunft? Manchmal schien es ratsam, Annie nicht genauer nach ihrer Meinung zu
    befragen.
    Meggie war an diesem Tag noch nicht sehr lange im Pfarrhaus, als Frank auftauchte. Sein Gesicht wirkte blaß. Er kam gerade von der Bar, wo er seinen Vater getroffen hatte.
    »Komm, Meggie«, sagte er und streckte die Hand aus. »Ich gehe mit dir zum Showground.«
    »Wie wär’s, wenn ich mit euch beiden zum Showground ginge?« meinte Pater Ralph und streckte seine Hand aus. Meggie fühlte sich wie im siebten Himmel, hier zwischen diesen Männern, die sie beide liebte und bewunderte und an deren Händen sie sich nun festklammerte.
    Der sogenannte Showground befand sich am Barwon River, gleich neben der Rennbahn. Obwohl die Überschwemmung inzwischen ein halbes Jahr zurücklag, war der Boden immer noch nicht völlig trocken, und die Füße frühzeitiger Besucher hatten ihn bereits weitgehend in Morast verwandelt. Hinter den Pferchen, Verschlagen und Boxen für das Vieh - Schafe, Rinder, Schweine, Ziegen: alles, was vielleicht für einen Zuchtpreis in Frage kam - waren die Stände mit Handarbeiten, Eßwaren, anderem mehr. Neugierig betrachteten sie alles, das Vieh, das Gebäck, die. gehäkelten Schals

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